Multimediarecht, IT-Recht, EDV-Recht, Internetrecht, Domainrecht, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht


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Urheberrechtsschutz für Suchmaschinenoptimierung

§§ 13, 97 Abs. 1 UrhG
OLG Rostock; Beschluss vom 27.06.2007 - 2 W 12/07 -


1. Computerprogramme im Sinne des Urhebergesetzes sind Programme in jeder Gestalt, wobei jedoch Webseiten, die lediglich auf einer HTML-Datei (Hyper Text Markup Language) basieren, deshalb regelmäßig keine Computerprogramme sind.
2. Eine Webseite kann jedoch durch die Auswahl, die Einteilung und die Anordnung von Suchbegriffen aus der Alltagssprache eine individuelle schöpferische Eigenheit bilden, durch die die für die Urheberrechtsschutzfähigkeit hinreichende Gestaltungshöhe erreicht wird, wenn sie das Schaffen eines durchschnittlichen Webdesigners, das auf einer routinemäßigen, handwerksmäßigen und mechanisch-technischen Zusammenfügung des Materials beruht, deutlich übersteigt.

(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand und Entscheidungsgründen:


Die gemäß §§ 91 a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) hat gemäß § 91 a ZPO die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens in erster Instanz zu tragen, nachdem sich der Rechtsstreit in der Hauptsache durch den von den Parteien geschlossenen Vergleich erledigt hat. Der Antrag des Verfügungsklägers (im Folgenden: Kläger) auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war ursprünglich zulässig und begründet.

Dem Kläger stand der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten zu. Danach war es der Beklagten untersagt, die unstreitig vom Kläger erstellten Webseiten ohne Hinweis auf dessen Urhebereigenschaft für die Herstellung der Seiten zu nutzen, §§ 13, 97 Abs. 1 UrhG.

1.
Es kann dahin stehen, ob die Gestaltung von Webseiten Urheberrechtsschutz als Computerprogramm gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a UrhG genießt. Computerprogramme im Sinne des Urhebergesetzes sind Programme in jeder Gestalt (§ 69 a Abs. 1 UrhG). Der Schutz erstreckt sich auf alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms, wenn dieses als hinreichend individuelles Werk das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers ist (§ 69a Abs. 2 und 3 UrhG).

Abzugrenzen ist der Begriff des Computerprogramms jedoch von sonstiger Software, insbesondere von reinen Daten, die nicht gemäß § 69 a ff. UrhG geschützt ist. Computerprogramme liegen nur vor, wenn sie eine Folge von Befehlen enthalten, die zur Kontrolle bzw. Steuerung des Programmablaufs benutzt werden (OLG Hamburg MMR 1999, 230: Wandtke/Bullinger/Grützmacher, UrhG, 2. Aufl., § 69a, Rn. 3, 17).

Webseiten, die lediglich auf einer HTML-Datei (Hyper Text Markup Language) basieren, sind deshalb regelmäßig keine Computerprogramme. Denn der HTML-Code allein enthält keine ablauffähige Folge von Einzelanweisungen, die dazu dient, den Computer zur Ausführung einer bestimmten Funktion zu veranlassen. Vielmehr werden mit Hilfe der im Internet gebräuchlichen HTML-Codierung die Formatierung der Seite niedergelegt und Texte sowie Grafiken sichtbar gemacht. Die HTML-Befehle im Quelltext einer Webseite bewirken daher nur, dass die vorgegebene Bildschirmgestaltung im Internet kommuniziert werden kann (OLG Frankfurt MMR 2005, 705; Wandtke/Bullinger/Grützmacher, a.a.O., Rn. 18; Mestmäcker/Schulze/Haberstumpf, Urheberrecht § 69a UrhG, Rn .10; Dreier Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 69a, Rn. 12; Möhring/Nicolini/Hoeren, UrhG, 2. Aufl., § 69a, Rn. 7).

So liegt der Fall hier. Ausweislich der ersten Zeile des vom Kläger vorgelegten Quelltextes sind die Webseiten als HTML-Datei erstellt worden. Dass auf den hier vorliegenden Webseiten zusätzlich ablauffähige Programmbestandteile vorhanden sind, hat der Kläger weder vorgetragen noch ist dies angesichts des eingereichten Ausdrucks der Bildschirmoberflächen und des Quelltextes ersichtlich. Im Übrigen spricht gegen die Annahme einer eigenen Schöpfung der HTML-Codierung, dass der Kläger die Webseiten erkennbar mittels des Designprogramms "(…)" hergestellt hat. Das ergibt sich aus der Zeile 16 des vorgelegten Quelltextes.

Ein solches Designprogramm generiert den Quellcode selbsttätig, nachdem der Anwender die gewünschten Elemente auf dem Bildschirm, z.B. mit der Computermaus, erzeugt und spezielle Funktionen mit Hilfe entsprechender Schaltflächen eingefügt hat.

2.
Die Gesamtheit der vom Kläger hergestellten Webseiten ist jedoch gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt. Es ist allgemein anerkannt, dass der Gestaltung von Webseiten unabhängig von der Digitalisierung ihres Inhalts ein Urheberrechtsschutz zukommen kann, sofern die Gestaltung die gemäß § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Schöpfungshöhe erreicht (OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Hamm, MMR 2005, 106; OLG Düsseldorf MMR 1999, 729; LG München I MMR 2005, 267).

a) Ein Werk der angewandten Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) oder ein Multimediawerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 2. Alt. UrhG, vgl. LG München I a.a.O.) liegt allerdings nicht vor. Insoweit geht die Gestaltung der Webseiten nicht über das hinaus, was bei ordnungsgemäßer Erstellung eines Werbeauftritts im Internet handwerklich zu leisten ist.

b) Der urheberrechtliche Schutz ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Verwendung der Sprache, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG.

Zwar bietet die vom Kläger auf den Webseiten verwendete Alltagssprache an sich keine Besonderheiten. Die sprachliche Gestaltung durch den Kläger führt jedoch dazu, dass die Webseiten der Beklagten bei Eingabe der plakativen Suchwörter "(…)" in die in Deutschland weit verbreitete Suchmaschine "Google" unter den ersten Suchergebnissen erscheint. Nach dem vom Kläger vorgelegten Ausdruck vom 22.02.2007 zeigte die Suchmaschine die Webseite der Beklagten als erstes von etwa 10.100 Ergebnissen an. Dass dies kein Zufallsprodukt, sondern von gewisser Dauer ist, ergibt sich daraus, dass die Webseite auch Ende Juni 2007 noch als drittes Suchergebnis von nunmehr 12.100 Einträgen auftritt.

Weil die Suchmaschinen im Internet ihre Ergebnisse auf der Grundlage der in den Quelltexten enthaltenen sogenannten Meta-Tags sowie dem Auftreten der Suchbegriffe im Dokumententitel oder in Überschriften sortieren, kommt der zielführenden Verwendung der Sprache bei der Suchmaschinen-Optimierung erhebliche Bedeutung zu. Zur Vermeidung von Manipulationen halten die Betreiber von Suchmaschinen die genauen Parameter der Suchfunktionen allerdings geheim und veränderten sie im Verlauf der Zeit.

Um gleichwohl für eine gewisse Dauer die Auflistung der Webseiten an der Spitze der Suchergebnisse zu erreichen, bedarf es daher besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Gestaltung des Internetauftritts. Dass die - vertraglich vereinbarte - Suchmaschinen-Optimierung hier gelungen ist, belegen die oben genannten Ergebnisse.

Darin liegt die persönliche geistige Schöpfung des Klägers im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG. Die Auswahl, die Einteilung und die Anordnung der Suchbegriffe aus der Alltagssprache auf den Webseiten und im Quelltext bilden hier die individuelle schöpferische Eigenheit des vom Kläger gestalteten Internetauftritts. Die Gestaltung mit Mitteln der Sprache erreicht die für die Urheberrechtsschutzfähigkeit hinreichende Gestaltungshöhe, denn sie übersteigt deutlich das Schaffen eines durchschnittlichen Webdesigners, das auf einer routinemäßigen, handwerksmäßigen und mechanisch-technischen Zusammenfügung des Materials beruht.

Die durch geschickte Auswahl und Anordnung der Schlüsselwörter erzielte Spitzenposition in der Suchmaschine beruht auf der eigenen geistigen Schöpfung des Klägers. Die auf diese Weise vorgenommene Gestaltung verschafft den Webseiten eine individuelle Prägung und hebt sie deutlich aus der Vielzahl durchschnittlicher Internetauftritte anderer Anbieter von Häusern heraus.

3.
Der Kläger hat deshalb gemäß § 13 S. 2 UrhG das Recht zu bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.

Das ist hier der Hinweis auf die technische Realisierung durch die "(…)", deren Inhaber der Kläger ist. Diese Bezeichnung seiner Urhebereigenschaft an der webbezogenen Gestaltung hat der Kläger bei Erstellung der Seiten für die ursprüngliche Domain der Beklagten - "www.(...).de" - gewählt und eingefügt.

Indem die Beklagte ihren Firmennamen geändert hat und die Webseiten nun unter der ebenfalls geänderten Domain "www.(...).de" anbietet, ist weder das Urheberrecht noch das Recht des Klägers auf Anerkennung seiner Urhebereigenschaft entfallen. Durch die geringfügigen Änderungen in Bezug auf den Firmennamen der Beklagten, denen der Kläger wegen des markenrechtlichen Konflikts zustimmen musste (§ 39 Abs. 2 UrhG), ist ein neues Werk nicht entstanden. Mit Ausnahme der Namensänderung und des Urheberhinweises sind die vom Kläger gestalteten Webseiten - insbesondere auch die Maßnahmen im Rahmen der Suchmaschinen-Optimierung - vollständig und unverändert in die neue Domain übernommen worden.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der erstinstanzlich entstandenen Kosten, § 3 ZPO.



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