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Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften

Am 1. August 2002 ist das zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften in Kraft getreten (http://www.bmj.bund.de/images/11392.pdf). Diese Modernisierung beinhaltet wesentliche Änderungen, welche den Opferschutz im Schadensrecht verstärken soll.

Die wesentlichen Änderungen sind:

  • Schmerzensgeld: Ein angemessenes Schmerzensgeld kann nun ohne Rücksicht auf den Haftungsgrund verlangt werden. Es kann auch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten verlangt werden.
  • Gefährdungshaftung nach StVG: Die Haftungstatbestände des Straßenverkehrsgesetz wurden geändert. Das "unabwendbare Ereignis" wurde durch die "höhere Gewalt" ersetzt.
  • Deliktsfähigkeit: Kinder sind nun mit Vollendung des zehnten Lebensjahrs deliktsfähig.
  • Abwicklung von KFZ-Schäden: Änderung des § 249 BGB. Umsatzsteuer ist nur erstattungsfähig bei tatsächlicher Reparatur.
  • Arzneimittelrecht: Der Haftungstatbestand des AMG hat eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Geschädigten erfahren. Der Hersteller muss nun beweisen, dass die Schadensursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung seines Medikamentes liegt. Des weiteren hat der Geschädigte nun einen Auskunftsanspruch gegenüber Hersteller und Zulassungsbehörde.
  • Haftung von gerichtlichen Sachverständigen: Die Haftung ist nun in einem eigenen Tatbestand geregelt. Früher war dies Richterrecht.

Im einzelnen gilt folgendes:

Bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter kann jetzt ohne Rücksicht auf den Haftungsgrund ein angemessenes Schmerzensgeld verlangt werden. Die Vorschrift des § 847 BGB fällt weg. An dessen Stelle tritt die allgemeinere Vorschrift des § 253 Abs. 2 BGB, welche sich nicht im Deliktsrecht befindet, sondern im allgemeinen Schuldrecht. Das lässt erahnen, welchen Anwendungsbereich diese nun generalisierte Vorschrift haben wird.

Nach § 253 Abs. 2 BGB kann bei Vorliegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangt werden. Neu als Verletzungshandlung nebender üblichen Körperverletzung, ist die Verletzung der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung.. Damit ist auch nun endlich eine, seit bestehen des BGB vorhandene und für heutige Verhältnisse "obskure" Vorschrift weggefallen. Der § 847 Abs. 2 BGB sprach einer "Frauensperson" (so der Gesetzestext) Schmerzensgeld zu, wenn diese zur "außerehelichen Beiwohnung bestimmt" wurde. Somit hat das Recht der sexuellen Selbstbestimmung nun auch Eingang in das BGB gefunden.

Keine Regelung hat der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gefunden. Dessen Ausgestaltung soll, mangels eines gesetzgeberischen Konzeptes, weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben. Nach Wegfall des § 847 BGB, welcher früher entsprechen angewandt wurde, folgt der Schmerzengeldanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht nun ausschließlich aus dem Verfassungsauftrag zum Schutz der Persönlichkeit.

Ein angemessenes Schmerzensgeld kann in der Zukunft nun auch im Rahmen vertraglicher Haftung geschuldet werden. Während im alten Recht lediglich die Verletzungshandlung als solches das gesetzliche Schuldverhältnis entstehen lies, kann ein Schmerzensgeldanspruch nun auch bei Verletzung vertraglicher Pflichten entstehen. Diese Änderung hat etwa zur Folge, dass nun auch eine Verletzungshandlung durch einen Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) einen Schmerzensgeldanspruch nach sich ziehen kann. Nach dem alten Recht war über § 831 BGB eine deliktische Haftung solcher "Hilfspersonen" oft ausgeschlossen, da diese im Gegensatz zum Erfüllungsgehilfen nicht weisungsbefugt waren und somit nicht als sog. Verrichtungsgehilfen galten. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit der "Exkulpation" des Geschäftsherren, also die Ausräumung eines etwaigen Auswahlverschuldens des Gehilfen.

Des weiteren hat der Anspruch auf Schmerzensgeld eine Ausdehnung auf die Fälle der sog. Gefährdungshaftung erfahren. Nach altem Recht konnte nur die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB einen Schmerzengeldanspruch nach sich ziehen. Weitere Ausnahmen aus anderen Rechtsgebieten spielten eher eine untergeordnete Rolle. Nun gilt das Gegenteil. Sämtliche Gesetze welche eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung vorsehen, verweisen auf die allgemeine Vorschrift des § 253 Abs. 2 BGB.

Darüber hinaus plante der Gesetzgeber, dass Schmerzensgeld nur verlangt werden könne, wenn der Schaden "unter Berücksichtigung seiner Art und Dauer nicht unerheblich ist". Mit dieser Formulierung sollten insbesondere bei der Körperverletzung für Schmerzensgeldansprüche eine sog. Bagatellgrenze für leichte Verletzungen geschaffen werden. Dem wurde nicht gefolgt. Der Rechtsprechung bleibt es weiterhin vorbehalten zu bestimmen, ab wann ein unerheblicher Eingriff gegeben ist.

Ein Änderung haben auch die Gefährdungshaftungstatbestände als solches erfahren. Zu nennen ist der bedeutsame § 8 a StVG (Straßenverkehrsgesetz). Hier haftete der Fahrzeughalter im Verletzungsfalle gegenüber den Insassen nur, wenn es sich um eine "entgeltliche, geschäftsmäßige Personenbeförderung" handelte. Dieses ist nun durch das Gesetzt im europäischen Trend geändert worden. Nach § 7 Abs. 1 StVG erstreckt sich die Gefährdungshaftung nun auch auf die private Insassengruppe. Die Neufassung des § 8 a StVG unterscheidet lediglich zwischen gewerblicher und privater Beförderung in Fragen des Ausschlusses der Haftung. Bei der gewerblichen Beförderung ist die Gefährdungshaftung zwingend, bei der privaten kann sie durch Vertrag ausgeschlossen werden. Die Gefährdungshaftung des § 7 Abs. 1 StVG betrifft nun auch den Halter von Anhängern. Unterscheidet sich dieser von dem Halter des schleppenden Fahrzeugs haften beide Halter gegenüber dem Verletzten gesamtschuldnerisch.

Im alten Recht entfiel die Gefährdungshaftung gemäß § 7 Abs. 2 StVG, bei Vorliegen eines "unabwendbaren Ereignisses". Nach neuem Recht entfällt die Haftung nur bei sog. höherer Gewalt. Damit sind alle seltenen Fälle eines "betriebsfremden, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführten Ereignisses" gemeint. Eine Ölspur oder Gegenstände auf der Straße sind damit wohl nicht erfasst. Das unabwendbare Ereignis bleibt nach der geänderten Vorschrift des § 17 Abs. 3 StVG lediglich Haftungsgrenze zwischen motorisierten Verkehrsteilnehmern.

Geändert wurde auch das Kindesalter für den Beginn der Deliktsfähigkeit im Straßenverkehr. Die Änderung setzt dieses Alter von sechs auf zehn Jahre hoch. Begründet wurde die Änderung damit, dass erst in diesem Alter Entfernungen und Geschwindigkeiten von Kindern richtig eingeschätzt werden können. Somit sind typische kindliche Handlungen im Straßenverkehr (plötzliches Auf-die-Straße-rennen) nicht mehr als unabwendbares Ereignis zu betrachten. Kindliche Unfallopfer sind durch diese Gesetzesänderung viel stärker als bisher geschützt. Der Ausschluss der Verantwortlichkeit findet seine Grenze aber im vorsätzlichen Handeln. Ein Achtjähriger, der Steine von einer Brücke auf die Straße wirft, ist auch weiterhin für sein Tun verantwortlich.

Änderungen haben sich nicht nur im Haftungsrecht des Straßenverkehrsrechts ergeben, sondern auch in der Abwicklung der Schadensfälle. Die alte Rechtslage sah vor, dass der Geschädigte vom Schädiger statt der sog. Wiederherstellung, Schadenersatz in Geld verlangen konnte. Die Rechtssprechung kam ihm dabei erheblich entgegen. So war der Geschädigte nicht gezwungen sein Fahrzeug auch tatsächlich reparieren zu lassen, bzw. in Höhe der zugesprochenen Summe. Der Geschädigte rechnete lediglich auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens ab. Für diese Fälle wurde § 249 BGB geändert. Der Geschädigte kann die Erstattung der Umsatzsteuer nur verlangen, wenn er sein Fahrzeug auch tatsächlich hat reparieren lassen. Dieser Umstand reduziert die oft kritisierte Besserstellung des Geschädigten etwas. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber diese Form der Schadensabrechnung nun gebilligt.

Eine Änderung hat auch das Recht der Arzneimittelhaftung erfahren. Nach der Vorschrift des § 84 Abs. 3 AMG (Arzneimittelgesetz) muss nun der Hersteller den Beweis führen, dass eine Schadensursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung seines Medikamentes liegt. Diese Änderung stellt eine Beweislastumkehr da, oblag es doch früher dem Geschädigten zu beweisen, dass die Ursache für eine schädliche Wirkung beim Hersteller lag. Diesen Beweis zu führen stellte sich zumeist als schwer da.

Darüber hinaus existiert nun im Arzneimittelrecht eine sog. Kausalitätsvermutung, was bedeutet, dass das geänderte Gesetz in § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG die Vermutung ausspricht, ein Schaden sei durch ein Medikament verursacht, wenn dieses nach den Gegebenheiten des Einzelfalles dazu geeignet war. Diese Vermutung entspricht annähernd dem sog. Anscheinsbeweis.

Weiterhin wurde dem AMG ein Auskunftsanspruch im § 84 a Abs. 1 Satz 1 AMG zugefügt. Dieser erlaubt dem Geschädigten vom Hersteller des Medikaments Auskunft zu verlangen, wenn Tatsachen vorliegen, "die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat". Der Anspruch richtet sich auf alle bekannten Wirkungen, Neben- und Wechselwirkungen des Medikaments. § 84 a Abs. 2 AMG gibt dem Geschädigten einen Auskunftsanspruch auch gegenüber den Zulassungsbehörden in die Hand.

Vor den Änderungen im Schadensrecht ergab sich oft das Problem der Haftung von gerichtlich ernannter Sachverständiger. Diesen Umstand greift der neue § 839 a BGB auf und regelt eine einheitliche Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Zuvor ergab sich eine Haftung lediglich aus richterlicher Rechtsfortbildung und unterschied zwischen beeidigten und unbeeidigten Sachverständigen.

So viele Rechtsänderungen erfordern Übergangsregeln. Ansonsten wäre unklar, nach welchen Vorschriften im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen oder geänderten Rechtsnormen gehaftet werden müsste. Solche Übergangsregeln finden sich üblicherweise in den sog. Einführungsgesetzen. So regelt dann auch Art. 229 § 8 Abs.1 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch), dass das neue Recht anzuwenden ist, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist. Das bedeutet, dass der Eingriff in das geschützte Rechtsgut nach diesem Zeitpunkt erfolgt sein muss. Das eventuell bestimmte Ursachen für das schädigende Ereignis schon vor dem besagten Termin gesetzt wurden (Einnahme eines schädigenden Medikaments - Spätfolgen nach Monaten), spielt z.B. im Falle der Arzneimittelhaftung keine Rolle.

Florian Giese, Rechtsreferendar



Anm. der Kanzlei:

In Einzelfällen kann es daher erforderlich sein, bestehenden Ansprüche, Verträge sowie verwendete Allgemeine Geschäftsbedingungen von einem Anwalt überprüfen zu lassen und eventuell an das neue Recht anzupassen. Zu prüfen sind auch eventuelle Haftungsrisiken und Versicherungen.

Diese Aufstellung skizziert nur grob einige der unserer Auffassung nach wichtigsten Änderungen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Informationen auf dieser Seite erfolgen ohne jede Gewähr.




Gerne beantworten wir noch weitere Fragen zum neuen Schadensersatzrecht:



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