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Fundstelle: MMR 2000, 375

Haftung eines Service-Providers
TDG § 5 Abs. 2,3; ZPO §§ 929 Abs. 2,927,936; MarkenG §§ 14,15
LG Bremen: Urteil vom 13.1.2000 -12 O 453/99; rechtskräftig

Ein Internetprovider kann trotz § 5 TDG in Anspruch genommen werden, wenn durch eine Domain Markenrechte Dritter verletzt werden und der eigentliche Inhaber der Domain für den Markeninhaber nicht erreichbar ist.

(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:
Die Ast. ist ein Foto- und Video-Einzelhandelsuntemehmen mit über 70 Filialen im norddeutschen Raum. Sie führt ihre Firma seit Jahrzehnten und ist Inhaberin der Marke "photo dose". Unter der Domain-Adresse "photodose.de" ist die Ast. auch im Internet präsent. Die Ag. betätigt sich als Hostmaster und Provider für Kunden, die Zugänge zum Internet wünschen. Für einen postalisch nicht erreichbaren Kunden ließ die Ag. am 27.4.1999 beim DENIC e.G. die Domain-Adresse "photo-dose.de" registrieren. Weil der Kunde der Ag. nach deren Vortrag das vereinbarte Entgelt nicht zahlte, sperrte sie die Domain-Adresse ab 30.4.1999. Das hat zur Folge, dass bei Eingabe der Domain-Adresse "photo-dose.de" der Text erscheint: "Diese Präsenz ist zurzeit nicht erreichbar". Die Ast. ist der Auffassung, dass die Registrierung der Domain-Adresse "photo-dose.de" eine Verletzung ihrer Firmen- und Markenrechte bedeute; die Ag. sei spätestens seit Kenntnis von dem Domain-Grabbing ihres obskuren Kunden, der offensichtlich unerkannt bleiben wolle, als Störer zu behandeln und unterlassungspflichtig. Unbeschadet der "Sperre" der Domain-Adresse dauere die Störung fort; die Textinformation "Diese Präsenz ist zurzeit nicht erreichbar" sei z.B. geeignet, den falschen Eindruck zu erwecken, sie - die Ast. - stecke in geschäftlichen Schwierigkeiten.
Die Ag. meint, die einstweilige Verfügung sei nicht innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen worden und müsse schon deshalb aufgehoben werden. Sie sei aus sich heraus nicht verständlich, weshalb die Ast. die Antragsschrift hätte mit zustellen lassen müssen. Aber auch materiell könne die einstweilige Verfügung keinen Bestand ha ben. Sie - die Ag. - könne die Registrierung der beanstandeten Domain-Adresse nur irn Auftrag und mit Zustimmung ihres Kunden, des Domain-Inhabers, aufheben (Aufhebung der Konnektierung).
(...)

Aus den Entscheidungsgründen:
(...)
1. Eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung gem. den §§ 927, 929 Abs. 2, 936 ZPO kommt nicht in Betracht. Die Ast. hat sie ordnungsgemäß innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO durch Zustellung irn Parteibetrieb vollzogen. Die Ag. geht fehl in ihrer Auffassung, dass zu einer ordnungsgernäßen Zustellung vorliegend auch die Zustellung der Antragsschrift gehört hätte, da die einstweilige Verfügung aus sich heraus nicht verständlich sei. Sie ist verständlich - für einen Internet-Provider alle- mal. Die Ag. hat es danach zu unterlassen, die Internet-Adresse (Domain-Adresse) "photo-dose.de" für Dritte bereitzuhalten. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie die noch bestehende Konnektierung irn Verhältnis zur DENIC e.G. aufzuheben hat.
(...)
3. Allein die Existenz der beanstandeten Domain-Adresse, mag "diese Präsenz" nun zurzeit erreichbar sein oder nicht, bewirkt eine Verletzung der Firma und Marke der Ast. (§§ 14, 15 MarkenG). Technisch gesehen stellt die Internetadresse (der Domain-Name) nur den Kommunikationsweg dar, der zu der gewünschten Hornepage führt. Insoweit ist der Domain-Name eher mit einer Telefonnummer vergleichbar. Nachdem aber der ursprünglich binäre Zahlencode irn Interesse der Benutzerfreundlichkeit durch eine Buchstabenkennung ersetzt worden ist, besitzen die Domain-Namen, anders als Telefonnummern, ein ausgeprägtes Identifikationspotenzial. Domain-Namen werden denn auch bewusst zur Identifizierung des Inhabers der Hornepage eingesetzt. Es wird mit der aus einem Namen bestehenden Domain-Adresse regelmäßig zum Ausdruck gebracht, dass der Namensinhaber gleichzeitig Inhaber der Internetadresse und der damit verbundenen Hornepage ist. So verhält es sich mit der Domain-Adresse "photo-dose.de" irn Verhältnis zur Firma und zur Marke ("photo dose") der Ast. Die Ast., die bereits unter der Adresse "photodose.de" irn Internet präsent ist, hätte ebenso gut die jetzt von dem Kunden der Ag. belegte Domain-Adresse für sich wählen können. Jedenfalls deutet diese Adresse, die sich lediglich durch den Bindestrich von der Domain-Adresse der Ast. unterscheidet, aus- schließlich auf ... die Ast. hin. Der in seiner Existenz fragwürdige Kunde der Ag. hat zu diesem Namen nicht die geringste Beziehung.

Die Ag. ist im Verhältnis zur Ast. markenrechtliche Störerin. Als Internet-Provider (Vermittler zwischen Hornepage-Inhaber und der DENIC e.G.) kann sie den Haftungsausschluss des § 5 Abs. 3 TDG nicht für sich in Anspruch nehmen und ist deshalb jedenfalls dann, wenn der Kunde, für den sie tätig ist oder war, für die Ast. als Verletzte nicht erreichbar ist, unterlassungspflichtig, was vorliegend einer Pflicht zum Handeln gleichkommt. Spätestens seit der vorprozessualen Abmahnung hat die Ag. von der zweifelsfreien Markenrechtswidrigkeit der Internetadresse ihres Kunden ... Kenntnis; sie ist also selbst dann, wenn man das Haftungsprivileg des § 5 Abs. 2 TDG für sie gelten lässt, i.S.d. Verfügungsbegehrens unterlassungspflichtig.

Der Umstand, dass beim Anwählen der beanstandeten Domain-Adresse die Textinformation "Diese Präsenz ist zurzeit nicht erreichbar" erscheint, ändert daran nichts; denn die markenrechtswidrige Störung dauert fort. Zutreffend weist die Ast. darauf hin, dass ein Interessent, der mit der genannten Information konfrontiert wird, den Eindruck gewinnen kann, die Ast. ... habe ihre geschäftlichen Aktivitäten eingestellt oder jedenfalls ihre Gebühren nicht bezahlt. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass dergleichen geschäftsschädigende Auswirkungen haben kann.

4. Die Ag., der durch die einstweilige Verfügung untersagt worden ist, die Internetadresse "photo-dose.de" für Dritte im Internetverkehr bereitzuhalten, wird danach die Aufhebung der Konnektierung bei der DENIC e.G. - ggf. unter Vorlage dieses Urteils - zu bewirken haben. Geschieht dies, wird die Adresse von der DENIC e.G. freigegeben. Sie könnte also alsdann grundsätzlich für jeden Dritten neu registriert werden.
Gleichwohl kann die Ag. mit ihrer Auffassung, dass die angefochtene einstweilige Verfügung die Hauptsache vorwegnehme und nicht lediglich vorläufigen Rechtsschutz gewähre, kein Gehör finden; denn die Aufhebung der Konnektierung kann mit einer vorläufigen Sperre für eine Neubelegung der Adresse verbunden werden. Das ist technisch ohne weiteres möglich; die Ag. hat auch nicht dargetan, dass sich die DENIC e.G. auf dergleichen nicht einlässt, wenn ihr nachgewiesen wird, dass das Gebot einer noch nicht rechtskräftigen Gerichtsentscheidung zu befolgen ist.

(...)


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