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ETB / Teleauskunft
§ 1, 16 UWG
OLG Frankfurt am Main; Urteil vom 5. Oktober 1989 - 6 U 91/89 -
(Vorinstanz LG Frankfurt am Main: Urteil vom 22. März 1989 - 2/6 O 47/89 -)

Die Verwendung eines Wortes in einer Btx-Suchmaschine, mit dem ein großer Teil des Verkehrskreises einen bekannten Dienstleister verbindet, kann bei Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses die Rechte des Dienstleisters verletzen.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:
Die Antragstellerin, eine Tochter der Deutschen Bundespost, gibt im Rahmen des von der Bundespost angebotenen Dienstes "Bildschirmtext (Btx)" seit dem Jahre 1985 das "Elektronische Telefonbuch (ETB)" heraus. Es handelt sich hierbei um ein Verzeichnis der Fernsprechteilnehmer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, das auf der Basis der amtlichen "Telefon-Bücher" erstellt und gepflegt wird.
Unter der Bezeichnung "Teleauskunft" werden im Btx-System von der Antragstellerin mehrere Teilnehmerverzeichnisse angeboten, nämlich das Btx-Teilnehmerverzeichnis, das Elektronische Telefonbuch (ETB), so sogenannten "Gelben Seiten" sowie das amtliche Verzeichnis der Telefax-Teilnehmer.
Für das Auffinden von Btx-Anbietern hat die Deutsche Bundespost eine Auswahlhilfe, nämlich eine alphanumerische Suche eingeführt, in deren Rahmen sich Anbieter unter bestimmten Suchworten registrieren lassen können, so daß bei einem Anstoß einer Suche mit Hilfe eines solchen Suchwortes der Benutzer zu einem (oder mehreren) Bildschirmen geführt wird, auf denen die Möglichkeit der Verzweigung zu den jeweiligen Anbietern geboten wird.

Die Antragsgegnerin, die im Btx-System verschiedene Datenbanken, u.a. eine Datensammlung über Produkte und Dienstleistungen von ca. 55.000 Firmen in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Titel "Wer liefert was?" anbietet, hat sich unter den Suchworten "Teleauskunft" und "ETB" im Btx-System in der folgenden Weise anbinden lassen:

Bei der Eingabe des Suchwortes "Teleauskunft" erscheint auf dem Bildschirm die Anzeige:

Bildschirmtext alphanumerische Suche
Teleauskunft     0
Btx Südwest Teleauskunft ETB      1

Gibt man das Suchwort "ETB" ein, so erscheint die folgende Anzeige:

Bildschirmtext alphanumerische Suche
ETB Elektronisches Telefonbuch    0
ETB, Gelbe Seiten    1
Btx Südwest Teleauskunft ETB    2

Die Antragstellerin, die die Anbindung unter den Suchworten "Teleauskunft" und "ETB" für wettbewerbswidrig hält, hat nach einer Abmahnung, auf Grund derer die Antragsgegnerin sich strafbewehrt dahingehend unterworfen hat, den Begriff "etb" nur in Kleinschreibung zu nutzen, gegen die Antragsgegnerin unter dem 13.2.1989 eine einstweilige Verfügung erwirkt, nach deren Tenor der Antragsgegnerin bei Meidung von Ordnungsmitteln untersagt worden ist, als Anbieter im Btx-System der Deutschen Bundespost sich mit dem Anbieterprogramm "Wer liefert was?" für die alphanumerische Suche im Btx-System der Deutschen Bundespost mit den Suchbegriffen *Teleauskunft# und/oder *ETB# anbinden zu lassen, und/oder als Btx-Anbieter für das Anbieterprogramm "Wer liefert was?" mit den Begriffen "Teleauskunft" und/oder "ETB" zu werben oder werben zu lassen.

Gegen diese einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt. Die Antragstellerin, die für die Begriffe "Teleauskunft" und "ETB" Titelschutz gemäß § 16 UWG in Anspruch nimmt, hat behauptet, daß sie an diesen Begriffen Verkehrsgeltung erworben habe. Ferner hat sie die Ansicht vertreten, daß die Antragsgegnerin sich an die von ihr verwendeten Bezeichnungen anhänge und ihren guten Ruf ausbeute. Schließlich hat die Antragstellerin in der Verwendung der streitigen Suchworte eine Irreführung der Btx-Teilnehmer gesehen, weil das Anbieterprogramm der Antragsgegnerin "Wer liefert was?" nur ca. 55.000 Firmen aus einer Gesamtzahl von ca. 3 Millionen aufführe: ein derartiges Verzeichnis sei unvollständig, erwecke aber durch die Anbindung an die genannten Suchworte den Eindruck der Vollständigkeit.
(...)
(Die Antragsgegnerin) hat zum einen die Ansicht vertreten, daß ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien nicht bestehe, zum anderen, daß die Begriffe "Teleauskunft" und "ETB" nicht schutzfähig seien.

Mit Urteil vom 22.3.1989, der Antragsgegnerin zugestellt am 24.4.1989, hat das Landgericht die einstweilige Verfügung bestätigt.
In der Begründung hat es auf der Grundlage, daß zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis bestehe, der Antragstellerin für den Begriff "ETB" einen Titelschutz gemäß § 16 UWG zugebilligt. Die Antragstellerin habe durch die Vorlage einer Reihe von Werbeunterlagen glaubhaft gemacht, daß dieser Begriff bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Btx-Teilnehmer Verkehrsgeltung erworben habe. Dies erstrecke sich auch auf die Verwendung von "etb" in Kleinschreibung, da der Btx-Benutzer bei der alphanumerischen Suche zwischen Groß- und Kleinschreibung nicht unterscheide.
Hinsichtlich der Verwendung des Begriffes "Teleauskunft" hat das Landgericht der Antragstellerin einen Unterlassungsanspruch auf der Grundlage des § 1 UWG zugebilligt. Hierbei handele es sich um einen Begriff, der sich im Rahmen der von der Antragstellerin angebotenen Serviceleistung "elektronische Teilnehmerverzeichnisse", hergestellt nach den amtlichen Unterlagen über Eintragungen von Teilnehmern an Diensten der Deutschen Bundespost, durchgesetzt habe. Hierfür spreche insbesondere, daß dieser Dienst von der Antragstellerin unter der Nummer 1188 angeboten werde, der im Fernsprechverkehr als Rufnummer für die örtliche Fernsprechauskunft bekannt sei. An die somit begründeten Herkunftsvorstellungen habe sich die Antragsgegnerin in sittenwidriger Weise angehängt und den für die Antragstellerin begründeten Ruf ausgebeutet.

Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin fristgerecht unter dem 24.5.1989 Berufung eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 5.10.1989 haben die Parteien nach einer dem beantragten Verbotstenor entsprechenden strafbewehrten Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Verwendung des Begriffes "ETB" insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Hinsichtlich des im Streit verbliebenen Begriffes "Teleauskunft" vertritt die Antragsgegnerin weiterhin die Ansicht, daß es sich bei diesem Begriff um eine von Hause aus nicht schutzfähige Gattungsbezeichnung handele. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß dieser Begriff in dem von der Antragstellerin behaupteten und in dem angefochtenen Urteil zugrundegelegten Maße Verkehrsgeltung erlangt habe.
(...)

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Antragsgegnerin war hinsichtlich des nach der teilweisen Erledigung des Rechtsstreites verbliebenen Teils, nämlich der Verwendung des Begriffes "Teleauskunft", zurückzuweisen, denn der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auf der Grundlage des § 1 UWG zu.

Der Senat folgt zunächst der angefochtenen Entscheidung darin, daß ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien gegeben ist. Insoweit wird in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Zu Recht ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ferner davon ausgegangen, daß der Begriff "Teleauskunft" sich als Bezeichnung für eine bestimmte Serviceleistung gerade der Antragstellerin durchgesetzt hat.
Bei der Beurteilung dessen, welche Vorstellungen der durchschnittliche Btx-Benutzer mit dem Begriff der "Teleauskunft" verbindet, ist zunächst zu berücksichtigen, daß es sich bei dem System "Bildschirmtext" um einen von der Deutschen Bundespost angebotenen Service handelt, der zudem über das normale Telefonnetz betrieben wird. Wird in diesem "Postsystem" der Begriff "Auskunft" verwendet und zudem noch mit der Nummer 1188 verbunden, so ergibt sich zwangsläufig eine - von Seiten der Antragstellerin offensichtlich auch gewollte - Parallele zum Fernsprechsystem selbst, in dem die "Auskunft" ebenfalls unter der Rufnummer 1188 zu erreichen ist, eine "Auskunft", die das Verzeichnis der amtlichen Fernsprechteilnehmer zum Gegenstand hat. Gleichartige amtliche Verzeichnisse werden ebenfalls aufgerufen, wenn in dem System Btx der Suchbegriff "Teleauskunft" verwendet wird, nämlich das Elektronische Telefonbuch, ferner die sogenannten "Gelben Seiten" sowie das amtliche Verzeichnis der Teilnehmer am "Telefax"-Verkehr. Berücksichtigt man ferner, daß die Antragstellerin den Begriff "Teleauskunft" ständig auf den entsprechenden Btx-Seiten in Zusammenhang mit den genannten, von ihr angebotenen Verzeichnissen verwendet, liegt es nahe anzunehmen, daß die angesprochenen Verkehrskreise, nämlich die Btx-Benutzer, mit diesem Begriff allein die von der Antragstellerin angebotenen Dienste verbinden. In dem gleichen Maße, in dem das Wort "Auskunft" im Fernsprechverkehr mit einer Auskunft aus dem amtlichen Teilnehmerverzeichnis verbunden ist, gilt dies auch für den Btx-Verkehr, denn der Btx-Teilnehmer wird dieses Wort als Suchwort einsetzen, wenn er, wie er es vom Fernsprechverkehr her gewohnt ist, eine Auskunft aus einem amtlichen Verzeichnis sucht, und nicht etwa dann, wenn er - wie die Antragsgegnerin unterstellt - an einer Information dahingehend, "wer liefert was", oder an einem Hotelführer, einer Messe-Kongress-Vorschau oder einer Datei "Who-is-who im Online-Verkehr" interessiert ist.

Die Verwendung des Begriffes "Teleauskunft" als Suchwort für die Antragsgegnerin dient daher offensichtlich nur dazu, sich an einen auf Grund von Herkunftsvorstellungen zugunsten der Antragstellerin bei den angesprochenen Verkehrskreisen besetzten Begriff in einer gegen § 1 UWG verstoßenden Weise "anzuhängen".
Die Berufung der Antragsgegnerin war daher insoweit mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, waren nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes die Kosten ebenfalls der Antragsgegnerin aufzuerlegen, denn sie wäre mit ihrer Rechtsverteidigung auch in der Berufungsinstanz unterlegen.
Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin für den Begriff "ETB" Titelschutz gemäß § 16 UWG beanspruchen kann, wie das Landgericht meint. Denn jedenfalls liegt ein Verstoß gegen § 3 UWG darin, daß die Antragsgegnerin bei der Verwendung des Suchwortes "ETB" und der Werbung mit diesem Begriff für ihre Datei "Wer liefert was?" einen dem elektronischen Telefonbuch gleichartigen, vollständigen Auskunftsumfang vortäuscht, der nach dem tatsächlichen Umfang ihres Firmenregisters unstreitig nicht gegeben ist. Darüber hinaus nutzt sie im Sinne des § 1 UWG zumindest eine mit den Begriffen "ETB" und "Elektronisches Telefonbuch" zugunsten der Antragstellerin ebenso wie bei dem Begriff "Teleauskunft" verknüpfte Herkunfts- und Gütevorstellung in sittenwidriger Weise aus.

(...)


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