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Tenor Tatbestand Entscheidungsgründe zurück zu den Urteilen
Programmierung einer Website ist Werkvertrag
§§ 611, 631 BGB
BGH, Urt. v. 04. 03. 2010 - III ZR 79/09
1. Zur rechtlichen Einordnung eines "Internet-System-Vertrags", der die Erstellung
und Betreuung einer Internetpräsentation (Website) des Kunden sowie die Gewährleistung
der Abrufbarkeit dieser Website im Internet für einen festgelegten Zeitraum zum
Gegenstand hat.
2. Zur Frage der Wirksamkeit einer Klausel, die in einem "Internet-System-Vertrag"
eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet.
(amtlicher Leitsatz)
Aus dem Tatbestand:
Die Parteien schlossen am 14. Juni 2005 einen "Internet-System-Vertrag" des Typs "€ Premium Plus"
mit "Editorfunktion" und "Full Service". Nach der vertraglichen Leistungsbeschreibung schuldete
die Klägerin dem Beklagten, der ein einzelkaufmännisches Unternehmen ("B. Abbruchsprengungen,
Beton-, Bohr- und Sägearbeiten, Großfeuerwerke") betreibt, die Recherche und Registrierung einer
Internet-Domain ("Domainservice"), die Zusammenstellung der Webdokumentation - Bild- und
Textmaterial - durch einen Webdesigner ("Vor-Ort-Beratung"), die Gestaltung und Programmierung
einer individuellen Internetpräsenz nach bestimmten einzeln aufgeführten Vorgaben, das "Hosting"
der Websites und Mailboxen auf den Servern der Klägerin sowie die weitere Beratung und Betreuung
über eine Hotline. Neben Anschlusskosten von 99 € zuzüglich Umsatzsteuer, die bei Vertragsabschluss
zahlbar waren, hatte der Beklagte für die vereinbarte Vertragslaufzeit von insgesamt 36 Monaten
ein Entgelt von monatlich 120 € zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Zur Zahlung dieses Entgelts
trifft § 1 Abs. 1 der im Vertrag in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der
Klägerin folgende Regelung:
Der Berechnungszeitraum beginnt mit dem Datum der Unterschrift unter diesem Vertrag. Das nach
diesem Vertrag zu zahlende Entgelt ist am Tag des Vertragsabschlusses und jeweils am selben Tage
des folgenden Jahres jährlich im Voraus fällig. Abweichend von Satz zwei ist im ersten Vertragsjahr
das Entgelt dreißig Tage nach Vertragsabschluss jährlich im Voraus fällig.
Der Beklagte zahlte die Anschlusskosten und das Entgelt für das erste Vertragsjahr (2005/2006).
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der Entgelte für das zweite und dritte
Vertragsjahr (2006/2007 und 2007/2008) nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten.
Der Beklagte hat eingewandt, die Bestimmung einer Vorleistungspflicht in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB
sei gemäß § 307 BGB unwirksam, die Klägerin habe die von ihr geschuldeten Leistungen nicht wie
geschuldet erbracht und er, der Beklagte, habe den Vertrag wirksam gekündigt.
Das Amtsgericht hat der Klage im Wesentlichen - bis auf einen Teil der Zinsforderung - stattgegeben.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landge-richt die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen
wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
(...)
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, der geringe Schutzumfang der Klagezeichen führe zum Ausschluss der Verwechslungsgefahr
schon bei geringen Abweichungen. Dies sei hier der Fall, da die Beklagte die
Bezeichnung "Telekom" nur beschreibend und auch nur im Zusammenhang mit
weiteren Bestandteilen benutze. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass die
Klageansprüche verwirkt seien.
Das Landgericht hat die Klage mit dem Löschungsantrag hinsichtlich der
Domain-Namen abgewiesen und ihr im Übrigen stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat die gegen die teilweise Klageabweisung gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen (OLG Köln MarkenR 2005, 153).
(...)
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I.
Das Berufungsgericht (MMR 2009, 867) hat ausgeführt:
Der Klägerin stehe kein fälliger Anspruch auf die verlangten Entgelte zu. Ein solcher ergebe sich
nicht aus der in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB vereinbarten Vorleistungspflicht, da diese Regelung
wegen der Abweichung von den gesetz-lichen Vorschriften der §§ 641, 632a BGB und erheblicher
Benachteiligung der Vertragspartner der Klägerin nichtig sei. Bei dem "Internet-System-Vertrag"
überwiege der werkvertragliche Charakter, denn der Schwerpunkt des Vertrages liege in der
Gestaltung und Programmierung der individuellen Internetpräsenz und nicht in der
Zurverfügungstellung von Software und Speicherkapazitäten auf den Servern der Klägerin. Etwaige
Ansprüche aus § 649, § 632a BGB oder § 642 BGB habe die Klägerin nicht hinreichend dargelegt.
II.
Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erweist sich § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB nach
Maßgabe des revisionsrechtlich zu Grunde zu legenden Sachverhalts nicht als unwirksam.
a) Die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB kann der erkennende Senat selbständig auslegen,
weil eine unterschiedliche Auslegung durch verschiedene Berufungsgerichte in Betracht kommt
(BGHZ 163, 321, 323 f; Senat, Urteil vom 17. September 2009 - III ZR 207/08 - NJW 2010, 57 Rn.
16; BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08 - NJW 2009, 3422, 3423 Rn. 20). Im Rahmen der
Wirksamkeitskontrolle ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB in Zweifelsfällen die "kundenfeindlichste"
Auslegung geboten, wenn diese zur Unwirksamkeit der Klausel führt und damit für den Kunden im
Ergebnis am günstigsten ist (Senatsurteil BGHZ 175, 76, 80 f Rn. 9 m.w.N.; BGHZ 176, 244,
250 f Rn. 19 m.w.N.; BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 aaO Rn. 21).
§ 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB begründet hiernach eine Vorleistungspflicht des Vertragspartners der
Klägerin (Kunde bzw. "Partnerunternehmen"). Denn ihm wird aufgegeben, das vertragliche Entgelt
jährlich im Voraus zu entrichten, und zwar unabhängig davon, ob und inwieweit die Klägerin die
ihr (für den jeweiligen Zeitabschnitt) obliegenden Leistungen - überhaupt oder ordnungsgemäß -
erbringt.
b) Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, die eine
Vorleistungspflicht des Kunden begründet, richtet sich in aller Regel - so auch hier - nach den
Maßgaben des § 307 BGB. Danach ist eine Klausel, die den Kunden abweichend von der gesetzlichen
Regelung zur Vorleistung verpflichtet, nur dann zulässig, wenn für sie ein sachlich
rechtfertigender Grund gegeben ist und den berechtigten Interessen des Kunden hinreichend Rechnung
getragen wird, insbesondere keine überwiegenden Belange des Kunden entgegenstehen (BGHZ 100, 157,
161 ff; 141, 108, 114; 145, 203, 211; BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 - VIII ZR 27/83 - NJW 1985,
850, 851, vom 24. September 2002 - KZR 38/99 - NJW-RR 2003, 834, 836 und vom 20. Juni 2006 - X ZR
59/05 - NJW 2006, 3134 Rn. 6, 10; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 309 Rn. 13;
MünchKommBGB/Kieninger, 5. Aufl., § 309 Nr. 2 Rn. 14; Staudinger/Coester-Waltjen, BGB [2006],
§ 309 Nr. 2 Rn. 7; Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., Rn. V 505 ff; Hensen,
in: Ulmer/ Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 309 Nr. 2 BGB Rn. 11 f). Diese Maßstäbe gelten
auch dann, wenn die Vorleistungsklausel, wie im vorliegenden Fall, gegenüber einem Unternehmer
verwendet wird (§ 14 Abs. 1, § 310 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB), wobei den Besonderheiten des
unternehmerischen Verkehrs im Rahmen der nötigen Interessenabwägung Rechnung getragen werden
kann und muss (s. auch Dammann aaO Rn. V 508). Der Grundsatz der Leistung Zug um Zug (§§ 320,
322 BGB) gehört zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB), weil er eine gleichmäßige Sicherheit für beide Vertragsparteien gewährleistet. Durch die
ihm auferlegte Vorleistungspflicht wird dem Kunden das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten
Vertrages (§ 320 BGB) für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsrechte Erfüllung (ohne
Erfordernis einer Prozessführung) genommen und das Risiko der Leistungsunfähigkeit seines
Vertragspartners, des Verwenders, aufgebürdet. Vor diesem Hintergrund bedarf es im Rahmen der
bei der Überprüfung nach § 307 BGB anzustellenden umfassenden Interessenabwägung (vgl. etwa
Senat, BGHZ 175, 102, 107 f Rn. 19 sowie Urteile vom 12. Februar 2009 - III ZR 179/08 - NJW 2009,
1334, 1337 Rn. 29 und vom 17. September 2009 aaO S. 58 Rn. 18) eines sachlichen Grundes für die
Verwendung einer Vorleistungsklausel regelmäßig auch dann, wenn der Kunde Unternehmer ist (so
auch Dammann aaO; offen gelassen in BGH, Urteil vom 24. September 2002 aaO; offen gelassen wohl
auch bei Hensen aaO Rn. 17; a.A. OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1988, 1458, 1459; Kieninger aaO
Rn. 21).
Eine solche Interessenabwägung ist auch und gerade dann vorzunehmen, wenn die gesetzliche
Regelung wie beim Werkvertragsrecht abweichend vom Grundsatz der Leistung Zug um Zug sogar eine
Vorleistungspflicht des die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendenden (Werk-)Unternehmers
vorsieht.
c) Nach diesen Maßgaben hält die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB der Wirksamkeitskontrolle
stand.
aa) Dem Berufungsgericht ist freilich darin beizupflichten, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 der
AGB niedergelegte Vorleistungspflicht des Kunden vom Leitbild der gesetzlichen Regelung abweicht.
Bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen "Internet-System-Vertrag" handelt es sich nach den
rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts insgesamt um einen Werkvertrag im Sinne
der §§ 631 ff BGB, und gemäß § 641 Abs. 1, §§ 632a, 646 BGB hat nicht der Besteller, sondern der
Werkunternehmer vorzuleisten.
bb) Die Qualifizierung des "Internet-System-Vertrags" als Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff BGB
steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zuordnung von
Internet-Verträgen zu den Vertragstypen des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Sie findet ihre maßgebliche
Grundlage in dem von den Parteien vereinbarten Vertragszweck, wie er in der vertraglichen
Leistungsbeschreibung und dem hieran anknüpfenden Parteiwillen, insbesondere auch in der
verobjektivierten Kundenerwartung, zum Ausdruck kommt, und rechtfertigt sich letztlich auch aus
einem Vergleich mit Verträgen, die ähnliche Gegenstände betreffen und als Werkverträge anerkannt
sind.
(1) Der "Internet-System-Vertrag" gehört zum Kreis der Internet-Provider-Verträge; unter diesem
Oberbegriff wird eine Vielzahl unterschiedlicher Vertragstypen zusammengefasst, bei denen es sich
zumeist um atypische oder gemischte Verträge handelt (s. etwa Spindler, CR 2004, 203 f; ders.,
in: Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl., Teil IV Rz. 4 f = S. 240 ff;
Klett/Pohle, DRiZ 2007, 198). Unbeschadet dessen lassen sich einzelne Vertragsgestaltungen im
Rahmen der gebotenen Schwerpunktbetrachtung (BGHZ 2, 331, 333; Palandt/Grüneberg aaO vor §
311 Rn. 26) - unter besonderer Berücksichtigung der unter dem Blickwinkel des Auftraggebers
gewählten Zielrichtung (Senat, Urteil vom 7. März 2002 - III ZR 12/01 - NJW 2002, 1571, 1573;
BGHZ 54, 106, 107) - einem der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Vertragstypen zuordnen.
(a) Bei dem "Access-Provider-Vertrag" geht es um die Pflicht des Anbieters, dem Kunden den
Zugang zum Internet zu verschaffen; hierbei schuldet der Provider - nur - die Bereithaltung
des Anschlusses und das sachgerechte Bemühen um die Herstellung der Verbindung in das Internet,
so dass dieser Vertrag im Allgemeinen als Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff BGB anzusehen
ist (Senat, Beschluss vom 23. März 2005 - III ZR 338/04 - NJW 2005, 2076 m.w.N.; Klett/Pohle
aaO S. 199; für die Annahme eines Werkvertrags hingegen Redeker, IT-Recht, 4. Aufl., Rn. 968).
(b) Gegenstand des "Application-Service-Providing (ASP)"-Vertrags ist die Bereitstellung von
Softwareanwendungen für den Kunden zur Online-Nutzung über das Internet oder andere Netze.
Im Vordergrund dieses Vertrages steht die (Online-)Nutzung fremder (Standard-)Software, die in
aller Regel nicht nur einem, sondern einer Vielzahl von Kunden zur Verfügung gestellt wird, und
somit der Gesichtspunkt der (entgeltlichen) Gebrauchsüberlassung, weshalb dieser Vertrag von der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Mietvertrag im Sinne der §§ 535 ff BGB eingeordnet
worden ist (BGH, Urteil vom 15. November 2006 - XII ZR 120/04 - NJW 2007, 2394 f Rn. 11 ff;
Klett/Pohle aaO S. 203; für die Einordnung als Dienstvertrag hingegen Redeker aaO Rn. 987 ff).
(c) Beim "Web-Hosting"-Vertrag (bzw. "Website-Hosting"-Vertrag) stellt der Anbieter auf seinem
eigenen Server dem Kunden Speicherplatz und einen entsprechenden Internet-Zugang zur Verfügung,
wobei es Sache des Kunden ist, diesen Speicherplatz (durch eine eigene Website) zu nutzen und
zu verwalten. Dieser Vertrag weist dienst-, miet- und werkvertragliche Aspekte auf (s. dazu etwa
MünchKommBGB/Busche, 5. Aufl., § 631 Rn. 279; Klett/Pohle aaO S. 202 f; Schuppert, in: Spindler,
Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl., Teil II Rz. 48 f = S. 15 f und Teil V Rz. 3 ff =
S. 513 ff). Findet der Vertragszweck seinen Schwerpunkt in der Gewährleistung der Abrufbarkeit
der Website des Kunden im Internet, so liegt es allerdings nahe, insgesamt einen Werkvertrag im
Sinne der §§ 631 ff BGB anzunehmen (so OLG Düsseldorf, MMR 2003, 474 f; Redeker aaO Rn. 980).
(d) Im "Webdesign-Vertrag" verpflichtet sich der Anbieter, für den Kunden eine individuelle
Website zu erstellen. Ein solcher Vertrag dürfte - ebenso wie ein Vertrag über die Erstellung
oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software
(s. BGHZ 102, 135, 140 f; BGH, Urteile vom 15. Mai 1990 - X ZR 128/88 - NJW 1990, 3008, vom 3.
November 1992 - X ZR 83/90 - NJW 1993, 1063, vom 9. Oktober 2001 - X ZR 58/00 - CR 2002, 93, 95
und vom 16. Dezember 2003 - X ZR 129/01 - NJW-RR 2004, 782, 783) - regelmäßig als Werkvertrag
im Sinne der §§ 631 ff BGB, unter Umständen auch als Werklieferungsvertrag im Sinne von § 651 BGB,
anzusehen sein (s. dazu etwa Busche aaO m.w.N.; Klett/Pohle aaO S. 201; Redeker aaO Rn. 980;
Schneider, in: Handbuch des EDV-Rechts, 4. Aufl., Teil O Rz. 342 f = S. 2066; Schmidt, in:
Spindler, Vertragsrecht der In-ternet-Provider, 2. Aufl., Teil VIII Rz. 4 = S. 659 ff; Cichon,
Internet-Verträge, 2. Aufl., S. 117 ff; Härting, Internetrecht, 3. Aufl., Rn. 334 ff = S. 83 ff).
(e) Beschränkt sich die Leistungspflicht des Anbieters auf die Beschaffung und Registrierung
einer vom Kunden gewünschten Internet-Domain, so stellt sich der Vertrag in der Regel als ein
Werkvertrag dar, der eine entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 Abs. 1, §§ 631 ff BGB) zum
Gegenstand hat (s. OLG Köln, MMR 2003, 191; Klett/Pohle aaO S. 200 m.w.N.; Redeker aaO Rn. 1085;
Schuppert aaO Teil VI Rz. 11 = S. 600).
(f) Verträge über die "Wartung" oder "Pflege" von Software, EDV-Pro-grammen oder Websites sind
als Werkverträge einzuordnen, soweit sie auf die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und
die Beseitigung von Störungen (und somit: auf einen Tätigkeitserfolg) gerichtet sind, wohingegen
ihre Qualifizierung als Dienstvertrag nahe liegt, wenn es an einer solchen Erfolgsausrichtung
fehlt und die laufende Serviceleistung (Tätigkeit) als solche geschuldet ist (s. dazu BGHZ 91,
316, 317; BGH; Urteil vom 8. April 1997 - X ZR 62/95 - NJW-RR 1997, 942, 943; ferner: OLG
München, CR 1989, 283, 284 und CR 1992, 401, 402; Palandt/Sprau aaO vor § 631 Rn. 22; Busche
aaO § 631 Rn. 284; Redeker aaO Rn. 648 ff m.w.N.; Klett/Pohle aaO S. 201).
(2) Der hier zu beurteilende "Internet-System-Vertrag" weist in einzelnen Elementen Bezüge zu
einigen der vorerwähnten Vertragstypen auf, ist indes keinem dieser Vertragstypen vollständig
zuzuordnen, sondern als eigener Vertragstypus anzusehen, der sich insgesamt als Werkvertrag im
Sinne der §§ 631 ff BGB darstellt.
Nach dem vereinbarten Zweck des "Internet-System-Vertrags", wie er in der "Leistungsbeschreibung"
in der Anlage zum Vertrag sowie in dem daran anknüpfenden Willen der Vertragsparteien, insbesondere
auch in der verobjektivierten Kundenerwartung, zum Ausdruck kommt, hat die Klägerin auf ihren
eigenen Servern für den Kunden unter der von ihm gewünschten Domain eine Website (Homepage;
Internetpräsentation) einzurichten, diese Website für den vereinbarten Zeitraum zu unterhalten
und sie über das Internet Dritten zugänglich zu machen. Auf diesen Leistungszweck beziehen sich
sämtliche der in der "Leistungsbeschreibung" aufgeführten einzelnen Leistungspflichten, nämlich
die Recherche und Registrierung einer (den Kundenwünschen entsprechenden) Internet-Domain
("Domainservice"), die Zusammenstellung der Webdokumentation - Bild- und Textmaterial - durch
einen Webdesigner ("Vor-Ort-Beratung"), die Gestaltung und Programmierung einer individuellen
Internetpräsenz nach bestimmten einzeln aufgeführten Vorgaben, das "Hosting" der Websites und
Mailboxen auf den Servern der Klägerin sowie die (diesbezügliche) weitere Beratung und Betreuung
des Kunden über eine Hotline der Klägerin.
Gegenstand des "Internet-System-Vertrags" ist demnach die auf einen bestimmten Zeitraum festgelegte
Gewährleistung der Abrufbarkeit einer von der Klägerin für ihren Kunden erstellten und betreuten
Website (Homepage) im Internet und somit nicht das schlichte Tätigwerden der Klägerin als solches,
sondern die Herbeiführung eines Erfolgs als Ergebnis der Tätigkeit der Klägerin. Die "Abrufbarkeit"
der Website ist in diesem Zusammenhang nicht als eine Garantie für den jederzeitigen Zugriff über
das Internet - die der Webhostbetreiber wegen der technischen Gestaltung des Internet nicht
übernehmen kann - zu verstehen, sondern dahin, dass die Website so bereitzustellen ist, dass sie
für Internetnutzer abgerufen werden kann, wenn das Internet im üblichen Rahmen den Zugriff
ermöglicht (Redeker aaO Rn. 980). Dementsprechend ist dieser Vertrag - anders als der lediglich
auf die Verschaffung des Zugangs zum Internet angelegte "Access-Provider-Vertrag" - nicht als
Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff BGB, sondern als Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff BGB
einzuordnen (zur allgemeinen Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag s. etwa Senat, Urteil vom
7. März 2002 aaO S. 1572; ferner BGHZ 31, 224, 226 ff; 54, 106, 107; BGH, Urteile vom 19. Juni
1984 - X ZR 93/83 - NJW 1984, 2406 f und vom 16. Juli 2002 - X ZR 27/01 - NJW 2002, 3323, 3324;
Palandt/Sprau aaO vor § 631 Rn. 8; Busche aaO § 631 Rn. 14). Im Gegensatz zum "ASP-Vertrag" geht
es bei dem "Internet-System-Vertrag" nicht - jedenfalls: nicht primär - um die Bereitstellung
(Gebrauchsüberlassung) von Softwareanwendungen zur Online-Nutzung für den Kunden. Soweit die
Klägerin dem Kunden nach dem "Internet-System-Vertrag" "Domainservice" und "Webdesign" schuldet,
stellen diese Leistungen jeweils schon für sich genommen werkvertragliche Leistungen dar, denn
dabei geht es um die Beschaffung und Registrierung einer vom Kunden gewünschten Internet-Domain
und um die Herstellung einer individuellen Website (Homepage), die - anders als beim
Werklieferungsvertrag - nicht als bewegliche Sache an den Kunden "geliefert" wird, sondern auf
den Servern und in der Verfügung der Klägerin verbleibt. Auch das von der Klägerin zu erbringende
"Web-site-Hosting" steht einer werkvertraglichen Leistung näher als einer dienst- oder
mietvertraglichen Leistung, da es in erster Linie dazu dient, die Abrufbarkeit der Website des
Kunden im Internet zu gewährleisten und in diesem Sinne einen "Erfolg" herbeizuführen, somit
weder als ein bloßes Tätigwerden noch lediglich als die Gebrauchsüberlassung von Speicherplatz
angesehen werden kann. Im Lichte dieser prägenden Zweckrichtung ist schließlich auch die
vertraglich vereinbarte Beratungs- und Betreuungspflicht der Klägerin zu würdigen; auch diese
zielt auf die Gewährleistung der Abrufbarkeit einer von der Klägerin erstellten und betreuten
"Internetpräsentation" des Kunden.
(3) Der Einordnung des "Internet-System-Vertrags" als Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff BGB
steht es nicht entgegen, dass der Kunde ein monatliches pauschales Entgelt zu entrichten hat,
dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt ist und somit Züge eines
"Dauerschuldverhältnisses" aufweist und dass dem Kunden kein körperlicher Gegenstand als
"Werkleistung" übereignet wird. Angesichts des auf einen Erfolg bezogenen Vertragszwecks kommt
diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht zu. Sie finden sich insbesondere auch bei
Werbeverträgen, die einen ähnlichen Zweck und Gegenstand wie der hier zu beurteilende
"Internet-System-Vertrag" aufweisen und von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als
Werkverträge angesehen worden sind, wie etwa Verträge über die Präsentation von
Werbespots/Videoclips auf einem öffentlichen Videoboard (BGH, Urteil vom 26. März 2008 -
X ZR 70/06 - NJW-RR 2008, 1155), über die Anbringung von Werbeplakaten auf be-stimmten Flächen
für eine festgelegte Zeitspanne (BGH, Urteil vom 19. Juni 1984 aaO) oder über Werbeanzeigen im
Telefonbuch (s. BGH, Urteil vom 24. September 2002 aaO m.w.N.).
bb) Die in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB bestimmte, vom Leitbild der gesetzlichen Regelung abweichende
Vorleistungspflicht des Kunden kann sich indes auf sachliche Gründe stützen und trägt den
berechtigten Interessen des Kunden hinreichend Rechnung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die
Klausel (wie hier) gegenüber einem Unternehmer (§§ 14, 310 Abs. 1 BGB) verwendet wird. Die
hierfür maßgeblichen Erwägungen hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt.
(1) Sachlich rechtfertigende Gründe findet die Vorleistungspflicht des Kunden zunächst darin,
dass der Anbieter bei dem hier vorliegenden "Internet-System-Vertrag" bereits zu Beginn der
Vertragslaufzeit die Website zu erstellen und einzurichten sowie die Abrufbarkeit dieser Website
im Internet herbeizuführen hat. Auf der Grundlage der vertraglichen Leistungsbeschreibung sind
beide Vorinstanzen - im Einklang mit dem Vorbringen der Klägerin, dem der Beklagte nicht mit
Substanz entgegengetreten ist - davon ausgegangen, dass damit die Klägerin typischerweise den
überwiegenden Teil des von ihr zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten zu erbringenden
Gesamtaufwands bei Vertragsbeginn tragen muss. Der Anbieter (hier: die Klägerin) hat daher ein
berechtigtes Interesse daran, mit der Bezahlung jeglichen Entgelts nicht lange Zeit, etwa gar bis
zum Ende der Vertragslaufzeit - also: bis zur vollständigen Erbringung der von ihm geschuldeten
Werkleistung -, warten zu müssen. Ferner kann dem Anbieter die Zahlung monatlicher Ratenbeträge
in dem hier in Rede stehenden Umfang von - lediglich - 120 € zuzüglich Umsatzsteuer einen nicht
unerheblichen buchhalterischen Aufwand bereiten und sich eine monatliche Ratenzahlung aus seiner
nachvollziehbaren Sicht deshalb als unpraktikabel erweisen.
(2) Dem berechtigten Interesse des Anbieters an einer dem jeweils erbrachten bzw. noch zu
erbringenden Aufwand entsprechenden, praktikablen und zeitnahen Entgeltzahlung steht das ebenso
berechtigte Interesse des Kunden gegenüber, das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten
Vertrages (§ 320 BGB) für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsgerechte Erfüllung
(ohne Erfordernis einer Prozessführung) zu behalten und nicht mit dem Risiko der
Leistungsunfähigkeit seines Vertragspartners belastet zu werden. Durch die Vorleistungspflicht
läuft der Kunde Gefahr, das von ihm geschuldete Entgelt auch dann entrichten zu müssen, wenn der
Anbieter die ihm obliegende (Werk-)Leistung überhaupt nicht oder nicht ordnungsgemäß erbringt.
Dem vorerwähnten Interesse des Kunden muss die Vorleistungsklausel auch dann Rechnung tragen, wenn
der Kunde ein Unternehmer ist. Denn auch einem Unternehmer gegenüber wäre es nicht angemessen,
wenn diesem das wesentliche Sicherungs- und Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages
vollumfänglich und kompensationslos genommen würde. Dem Verwender einer formularmäßigen
Vertragsbestimmung ist es gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB - auch bei Verwendung der Klausel
gegenüber einem Unternehmer (s. § 310 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB) - verwehrt, durch eine einseitige
Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners
durchzusetzen, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm
einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, da hierin eine unangemessene Benachteiligung des
Vertragspartners entgegen den Geboten von Treu und Glauben läge (s. dazu etwa Senat, BGHZ 175,
102, 107 f Rn. 19 sowie Urteile vom 12. Februar 2009 aaO und 17. September 2009 aaO).
(3) Im Ergebnis der sonach gebotenen Interessenabwägung wird § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB den
berücksichtigungsfähigen Interessen des Kunden - jedenfalls im unternehmerischen Verkehr -
ausreichend gerecht.
Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin in aller Regel den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit und ganz
überwiegenden Teil der von ihr geschuldeten Leistung am Beginn der Vertragslaufzeit erbringt und
demgegenüber auf die noch verbleibenden, in der nachfolgenden Vertragslaufzeit anstehenden
Leistungen kein größerer Aufwand entfällt, ist es nicht unangemessen, wenn der Kunde (etwa)
ein Drittel der von ihm zu zahlenden Gesamtvergütung (Werklohn) im Voraus zu entrichten hat.
Diese Vorleistung, die zudem erst 30 Tage nach Vertragsabschluss fällig wird, belastet den
Kunden vor allem deshalb nicht unverhältnismäßig, weil der Anteil des für das erste Jahr der
Vertragslaufzeit im Voraus zu zahlenden Entgelts an der vereinbarten Gesamtvergütung deutlich
hinter dem Anteil am Gesamtaufwand zurückbleibt, den die Klägerin zur Erfüllung ihrer
Leistungspflichten in diesem Zeitraum aufzubringen hat. Unter dem Blickwinkel dieser
vergleichenden Betrachtung stellt die Zahlungsregelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB keine
einseitige, unangemessene Benachteiligung des Kunden dar.
Hinzu tritt, dass die Vorauszahlung etwa eines Drittels der vereinbarten Gesamtvergütung die
Druckmittel des Kunden für die Durchsetzung seines An-spruchs auf vertragsgerechte Erfüllung
(ohne Erfordernis einer Prozessführung) nur in einem verhältnismäßig geringen Umfang
beeinträchtigt. Leistet die Klägerin im ersten Vertragsjahr nicht oder nicht wie vereinbart, so
kann der Kunde die für die beiden Folgejahre geschuldeten Entgeltbeträge zurückbehalten und
Erfüllungs- oder Gewährleistungsansprüche geltend machen und den (Werk-)Vertrag gegebenenfalls
auch kündigen. Um den Anspruch auf den auf das zweite und dritte Vertragsjahr entfallenden
Entgeltanteil - insgesamt also (etwa) zwei Drittel der vereinbarten Gesamtvergütung - nicht zu
verlieren, wird die Klägerin bestrebt sein, das Schwergewicht der von ihr geschuldeten Leistung
- nämlich die Erstellung und Einrichtung der Website sowie die Gewährleistung der Abrufbarkeit
dieser Website im Internet - rechtzeitig und ordnungsgemäß zu erbringen und ihren Kunden auf
diese Weise zufrieden zu stellen. Geben die Leistungen der Klägerin - erst - im Verlauf des
zweiten Vertragsjahres berechtigten Anlass für Beanstandungen des Kunden, so kann dieser mit
der Einbehaltung des für das dritte Vertragsjahr zu zahlenden letzten Entgeltdrittels immer noch
einen wirkungsvollen Druck auf die Klägerin ausüben und sie hierdurch zur ordnungsgemäßen
Erfüllung ihrer Pflichten anhalten. Erst mit der Zahlung des zu Beginn des dritten Vertragsjahres
zu entrichtenden Entgeltbetrages verliert der Kunde das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten
Vertrages. Zu diesem Zeitpunkt aber hat die Klägerin den für die von ihr geschuldete
Vertragserfüllung erforderlichen Gesamtaufwand regelmäßig schon nahezu vollständig erbracht.
2. Demnach durfte das Berufungsgericht die Klage nicht mit der Begründung abweisen, § 1 Abs. 1
Satz 2 der AGB sei unwirksam. Da wegen der weiteren gegen die Entgeltforderung der Klägerin
vorgebrachten Einwände des Beklagten (keine vertragsgerechte Leistung der Klägerin; Kündigung
des Vertrags) noch ergänzende Feststellungen erforderlich sind, ist der Rechtsstreit nicht zur
Endentscheidung reif, so dass die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO).
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