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Innungsprogramm; Schutz von Software
UrhG § 97
BGH, Urt. v. 23. 01. 2003 - I ZR 18/00 -


Der Antrag, mit dem der Berechtigte die Unterlassung einer Urheberrechtsverletzung begehrt, muß die Verletzungsform beschreiben. Eine Wiedergabe des kopierten Originals kommt nur in Fällen einer identischen Übernahme in Betracht.
(amtlicher Leitsatz)

Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin ist Inhaberin von ausschließlichen Nutzungsrechten an einem von ihrem Geschäftsführer entwickelten Computerprogramm für den Planungsbereich der Heizungs-, Sanitär- und Lüftungstechnik. Die Beklagten zu 2 und zu 3 waren von 1986 bis 1990 bei der Klägerin als freie Mitarbeiter mit der Umsetzung der vom Geschäftsführer der Klägerin entwickelten und laufend aktualisierten Programmablaufpläne in die Programmiersprache BASIC befaßt.

Nach ihrem Ausscheiden bei der Klägerin erstellten die Beklagten zu 2 und zu 3 ein Computerprogramm mit der Bezeichnung "Innungs-, Kunden- und Mitgliederverwaltung" (im folgenden: Innungsprogramm). Hierbei griffen sie auf den Quellcode des Programms der Klägerin zurück, indem sie einzelne Teile direkt übernahmen, andere geringfügig veränderten und erweiterten. Der überwiegende Teil des neuen Programms entstand allerdings weitgehend unabhängig, jedoch unter Rückgriff auf den Quellcode eines Moduls ("STD-MOD.BAS") aus dem Programm der Klägerin, das zentrale Routinen und Ablaufsteuerungen enthielt. Die Beklagten zu 2 und zu 3 gründeten die Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagte), die das so erstellte Innungsprogramm sodann auf den Markt brachte und zumindest in einem Fall verkaufte und installierte. Im Rahmen eines gegen die Beklagten zu 2 und 3 eingeleiteten, mittlerweile eingestellten Ermittlungsverfahrens wurden in den Geschäftsräumen der Beklagten die Software der Klägerin und das Innungsprogramm der Beklagten beschlagnahmt.

Die Klägerin sieht in der Verwendung ihres Quellcodes, insbesondere des Moduls "STD-MOD.BAS", eine Verletzung des Urheberrechts an dem ihr zur ausschließlichen Nutzung zustehenden Computerprogramm.

(...)

Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin (...).

Aus den Entscheidungsgründen:
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage mit den im Berufungsverfahren gestellten Anträgen als unzulässig angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Gegenstand sämtlicher Hauptanträge sei das Computerprogramm auf der in Bezug genommenen und zu den Akten gereichten CD-ROM. Die darauf aufgespielte Software sei jedoch inhaltlich nicht identisch mit dem ursprünglichen Klagegegenstand, nämlich einem Programm mit den in Anlage 1 zur Klageschrift aufgelisteten Dateien. Damit beträfen alle Hauptanträge der Klägerin, die sich auf den Datenbestand auf der zu den Akten gereichten CD-ROM bezögen, einen geänderten Streitgegenstand. In den neu formulierten Anträgen liege daher eine Klageänderung, der die Beklagten widersprochen hätten. Diese Klageänderung sei auch nicht sachdienlich, weil im Falle der Zulassung die Ergebnisse der bisherigen Prozeßführung - insbesondere die Ergebnisse der bereits durchgeführten Beweisaufnahme - nicht verwertet werden könnten.
Der als Hilfsantrag gestellte ursprüngliche Unterlassungsantrag sei nicht hinreichend bestimmt und daher ebenfalls unzulässig. Denn das Programm, das Gegenstand dieses Antrags sei, sei nicht vollständig zu den Akten gelangt. Die Anlage 1 enthalte lediglich eine Liste der Dateien; ein Datenträger, auf dem diese Dateien gespeichert seien, befinde sich dagegen nicht bei den Akten.

II.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht in den neu gefaßten Anträgen, die die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. September 1999 angekündigt und in der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 1999 gestellt hat, eine Klageänderung gesehen hat. Die neu gefaßten Anträge sind vielmehr auf dasselbe Klageziel gerichtet, das die Klägerin bis dahin verfolgt hatte und das sie mit dem Hilfsantrag weiterverfolgt. Danach geht es der Klägerin darum, die Vervielfältigung und Verbreitung ihrer nach dem rechtskräftig gewordenen Feststellungsurteil des Landgerichts urheberrechtlich geschützten Software und des nach ihrer Ansicht darauf aufbauenden Innungsprogramms der Beklagten zu unterbinden.

a) Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings den ursprünglichen Klageantrag als nicht hinreichend bestimmt beanstandet (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Denn das Programm, dessen Nutzung die Klägerin unterbunden wissen wollte, war durch den Antrag und die Anlagen 1 und 2 zur Klageschrift nicht ausreichend konkretisiert. Diese Anlagen bestehen lediglich aus Listen, in denen der Name der jeweiligen Datei, ihre Größe in Bytes, die Daten der letzten Änderung, des letzten Zugriffs und der Erstellung sowie ein Zuordnungskriterium ("Owner: Backup") angegeben sind. Für die Beklagten hätte sich allein anhand der in Antrag und Anlage enthaltenen Beschreibung nicht ergeben, welchen Inhalt die Dateien haben sollten, deren Vervielfältigung und Verbreitung ihnen untersagt werden sollte. Erforderlich wäre es vielmehr gewesen, dem Antrag einen Datenträger mit den aufgelisteten Dateien beizufügen (vgl. BGHZ 94, 276, 291 - Inkasso-Programm; 142, 388, 390 f. - Musical-Gala).

b) Mit Recht weist die Revision darauf hin, daß es der Klägerin bei der durch die Beanstandung des Berufungsgerichts veranlaßten Neufassung ihrer Anträge immer nur darum ging, dem Einwand zu begegnen, die ursprüngliche Antragsfassung sei nicht hinreichend bestimmt. Das Bemühen der Klägerin war erkennbar - und vom Berufungsgericht auch so verstanden - darauf gerichtet, einen Datenträger vorzulegen, auf dem die in der Anlage zur Klage aufgeführten Dateien gespeichert sein sollten. Dabei handelte es sich für die Klägerin nicht um ein einfaches Unterfangen. Denn die Dateien, auf die sich der Antrag beziehen sollte, waren im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bei der Beklagten sichergestellt worden. Da die Klägerin nicht im Besitz des entsprechenden Datenträgers war, mußte sie in ihrem eigenen Datenbestand die jeweiligen Dateien auffinden, und zwar genau in der Fassung, wie sie in der Anlage 1 zur Klageschrift aufgelistet waren. Die Klägerin ging dabei davon aus, daß ihr dies gelungen sei; denn sie beharrte - wie im Berufungsurteil zutreffend vermerkt - darauf, daß die auf der CD-ROM gespeicherten Dateien mit den in der Anlage 1 zur Klageschrift aufgelisteten Dateien identisch seien. Zwar war die Klägerin hierbei nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts in einem Irrtum befangen. Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, daß sich das richtig verstandene Klagebegehren immer nur auf ein Computerprogramm bezog, das die in der Anlage 1 zur Klageschrift aufgelisteten Dateien umfaßte. Mit der neuen Antragsfassung brachte die Klägerin zum Ausdruck, was der vollstreckbare Inhalt des Antrags sein sollte. Die Fassung des Antrags und seine Begründung ließen keinen Zweifel daran, daß die Klägerin den Rahmen ihres ursprünglichen Begehrens nicht verändern wollte. Damit handelte es sich nicht um eine Klageänderung, sondern lediglich um eine - durch die Beanstandung des Berufungsgerichts veranlaßte - konkretisierende Korrektur des ursprünglichen Antrags (§ 264 Nr. 1 ZPO).

2. Das Berufungsgericht hat jedoch mit Recht darauf hingewiesen, daß der neu gefaßte Antrag mit dem vorgelegten Datenträger seiner - berechtigten (s. oben unter II.1.a)) - Beanstandung nicht genügte. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Dateien, die auf dem mit dem neu gefaßten Antrag vorgelegten Datenträger gespeichert waren, nicht vollständig mit den Dateien übereinstimmten, die in der Anlage 1 zur Klageschrift aufgelistet waren. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht lasse nicht die hinreichende Sachkunde für eine solche Feststellung erkennen. Denn die vom Berufungsgericht angeführten näheren Angaben zu der Zahl und der Gesamtdatenmenge der auf der CD-ROM gespeicherten Dateien lassen sich ohne weiteres mit einem PC mit CD-ROM-Laufwerk ermitteln.

3. Daraus folgt indessen nicht, daß sich das Berufungsurteil im Ergebnis als richtig erwiese (§ 563 ZPO a.F.).

a) Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht der Klägerin keine Gelegenheit gegeben hat, ihr Vorbringen zu ergänzen, nachdem Abweichungen zwischen den Dateien auf dem vorgelegten Datenträger und den in der Anlage 1 zur Klageschrift aufgelisteten Dateien festgestellt worden waren.
Für die Klägerin bestand erkennbar die Schwierigkeit darin, daß der Sachverständige, der in erster Instanz ein Gutachten erstattet hatte, sich auf Programmversionen gestützt hatte, die ihm vom Landeskriminalamt zur Verfügung gestellt worden waren. Auch im Urteil des Landgerichts wurde die Software der Klägerin unter Bezugnahme auf das dem Landeskriminalamt vorliegende Beweismaterial beschrieben ("Software der Klägerin gemäß Anlage 1, derzeit befindlich im Besitz des Landeskriminalamtes M. , Az.: 105 Js (Wi) 33765/91 der Staatsanwaltschaft K. , Entwicklungsstand 31.12.1990"). Nachdem die Klägerin erstmals in der Sitzung am 10. Dezember 1999 damit konfrontiert worden war, daß zwischen der von ihr vorgelegten und der Programmversion, die dem Sachverständigen vom Landeskriminalamt zur Verfügung gestellt worden war, gewisse Unterschiede bestanden, hätte das Berufungsgericht - wie die Revision rügt - auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 13. Dezember 1999 hin die mündliche Verhandlung wiedereröffnen und der Klägerin Gelegenheit geben müssen, eine Programmversion vorzulegen, deren Dateien mit dem in der Anlage zur Klage aufgelisteten Bestand vollständig übereinstimmten (§ 156 ZPO).

b) Das Berufungsgericht war auch im übrigen gehalten, auf einen sachdienlichen Antrag hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.). Der von der Klägerin gestellte Unterlassungsantrag, der zum einen auf das Innungsprogramm der Beklagten und zum anderen auf den bei der Beklagten sichergestellten Quellcode der Klägerin abzielte, leidet daran, daß er nicht die Kopie, sondern das kopierte Produkt beschreibt. Eine derartige Beschreibung der angegriffenen Ausführung kommt allenfalls bei identischer Übernahme in Betracht. Entspricht die angegriffene Ausführungsform genau dem Produkt, für das Schutz beansprucht wird, mag es angehen, das Verbot durch Bezugnahme auf dieses Produkt zu formulieren, statt - wie an sich geboten - die konkrete Verletzungsform zu beschreiben. Im Streitfall ist diese Voraussetzung lediglich insofern erfüllt, als sich die Klägerin gegen die Vervielfältigung ihres Quellcodes wendet. Das Innungsprogramm der Beklagten, dessen Vervielfältigung und Verbreitung die Klägerin vor allem untersagen lassen möchte, weicht dagegen in vielen Punkten vom Programm der Klägerin ab. Die Klägerin hätte daher für diesen Fall in ihrem Unterlassungsantrag das als urheberrechtsverletzend angegriffene Programm der Beklagten umschreiben oder vorlegen müssen (vgl. Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, vor § 97 ff. Rdn. 23 zum Urheberrecht; Benkard/Rogge, PatG, 9. Aufl., § 139 Rdn. 88 m.w.N. zum Patentrecht; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 51 Rdn. 4 zum Wettbewerbsrecht).

III.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, ihre Anträge - soweit sie sich gegen die Vervielfältigung und Verbreitung des Innungsprogramms der Beklagten richten - auf die angegriffene Ausführungsform zu beziehen.
Nach dem unstreitigen Tatbestand steht fest, daß die Beklagten zu 2 und zu 3 bei der Entwicklung ihres eigenen Innungsprogramms das Programm der Klägerin zugrunde gelegt und teilweise übernommen haben. Für die Frage der Urheberrechtsverletzung wird das Berufungsgericht sein Augenmerk auf bestehende Übereinstimmungen und nicht auf Abweichungen richten müssen. Dabei wird zu beachten sein, daß der Urheberrechtsschutz nicht nur dem Programm als Ganzem zukommt, sondern auch einzelne Programmteile dem Urheberrechtsschutz zugänglich sind.
Auf die Frage, ob die übernommenen Passagen des Programms der Klägerin vom Geschäftsführer der Klägerin oder von den Beklagten zu 2 und zu 3 geschrieben worden sind, wird es dabei nicht maßgeblich ankommen. Denn nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, daß die Beklagten zu 2 und zu 3 der Klägerin ausschließliche Nutzungsrechte an dem Programm eingeräumt haben.
(...)


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