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Tenor Tatbestand Entscheidungsgründe zurück zu den Urteilen
Recht des Datenbankherstellers
UrhG § 87b Abs. 1 Satz 1
BGH; Urteil vom 21. 07. 2005; - I ZR 290/02 -
Ein Verstoß gegen das ausschließliche Recht eines Datenbankherstellers, die
Datenbank insgesamt oder in einem nach Art oder Umfang wesentlichen Teil
der Datenbank zu vervielfältigen, kann auch gegeben sein, wenn Daten entnommen
und auf andere Weise zusammengefaßt werden. Auf die Übernahme
der Anordnung der Daten in der Datenbank des Herstellers kommt es für den
Schutz nach § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG nicht an. Die andersartige Anordnung
der entnommenen Daten durch den Verwender hat nicht zur Folge, daß diese
ihre Eigenschaft als wesentlicher Teil der Datenbank verlieren.
(amtlicher Leitsatz)
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerinnen sind auf dem Gebiet der Markt- und Medienforschung
tätig. Sie nehmen die Beklagten wegen Vervielfältigung der von ihnen erhobenen
und veröffentlichten Daten auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch.
Ferner begehren sie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung
der Beklagten.
Die Klägerinnen erheben Daten über die Nutzung des Musik-Hit-
Repertoires im Hörfunk der Bundesrepublik Deutschland und ermitteln wöchentlich
durch statistische Stichproben die Verkaufszahlen der entsprechenden
Tonträger. Aus diesen Daten erstellen sie sogenannte "Airplay-" und "Music-
Sales-Charts", die wöchentlich die aktuelle Plazierung, den Titel und den
Interpreten, das "Label", die in der Vorwoche erreichte Position sowie die für
die Plazierung maßgebliche Punktzahl ausweisen. Die von den Klägerinnen
ermittelten Charts werden in den Zeitschriften "D. " und "M.
" veröffentlicht.
Die Beklagte zu 1 (im folgenden: die Beklagte), ein Verlagsunternehmen,
deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, vertreibt über den Buchhandel
und das Internet unter dem Titel HIT BILANZ in Buchform und auf CD-ROM
eine Liste von Interpreten und ihrer Hits, die nach bestimmten Kriterien sortiert
ist. Sie faßt jeweils größere Zeiträume zusammen (z.B.: "HIT BILANZ/
Deutsche Chart-Singles 1956 bis 1998") und sortiert die dargestellten Hitlisten
alphabetisch nach den Interpreten. Dabei gibt sie die Titel, mit denen der Interpret
in den Charts vertreten war, aufsteigend nach Jahren geordnet an und
verzeichnet die Anzahl der Wochen, in denen der Titel in den Charts notiert
war. Ferner benennt sie das Label des Produzenten. Die von der Beklagten
vertriebene CD-ROM ist mit einem Suchsystem ausgestattet, das den Aufruf
nach Interpret, Produzent, Label und Titel der Hits ermöglicht. Die von der Beklagten
jeweils vertriebene HIT BILANZ basiert auf Datenmaterial aus den von
den Klägerinnen wöchentlich erstellten Charts. Soweit die HIT BILANZ in Buchform
erschienen ist, nimmt sie durch ausdrücklichen Hinweis teils auf die Zeitschrift
"M. ", teils auf die von der Klägerin zu 1 ermittelten Daten Bezug.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, die von ihnen erstellten und veröffentlichten
Charts seien als Sammelwerke und Datenbanken nach § 4 UrhG geschützt;
jedenfalls genössen sie den Schutz als Datenbank nach §§ 87a ff.
UrhG. Diese Rechte verletzten die Beklagten durch Veröffentlichung der Buchund
CD-ROM-Reihe HIT BILANZ. Die bloße Zusammenfassung der Daten und
alphabetische Ordnung nach Interpreten führe aus der Verletzung nicht heraus.
Das Vertreiben der von ihnen, den Klägerinnen, erhobenen Daten sei zudem
nach den Grundsätzen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes
wettbewerbswidrig.
(...)
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben die Ansicht
vertreten, ein Vergleich der Charts der Klägerinnen mit den von ihnen vertriebenen
jeweiligen HIT BILANZEN zeige, daß sich die verarbeiteten Informationen
sowohl im Aufbau als auch in der Aussage völlig unterschieden. Es fehle
daher an einer unmittelbaren Leistungsübernahme sowie an einer Urheberrechtsverletzung.
Zudem hätten die Klägerinnen die Übernahme der Einzeldaten
nicht nur geduldet, sondern - etwa durch Veröffentlichung von Anzeigen -
auch ausdrücklich gestattet.
(...)
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
Das Berufungsgericht hat in der von der Beklagten veröffentlichten
Buchreihe HIT BILANZ bzw. der CD-ROM weder eine Urheberrechtsverletzung
noch einen Wettbewerbsverstoß gesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Es sei schon zweifelhaft, ob die klägerischen Charts in Anordnung oder
Auswahl ihrer Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellten, wie
es für den Schutz von Datenbankwerken nach § 4 Abs. 2 UrhG Voraussetzung
sei. Aber selbst wenn die von den Klägerinnen erstellten Charts in Anordnung
oder Auswahl ihrer Elemente eine persönliche geistige Schöpfung enthielten,
käme eine Verletzung des Urheberrechts an einem Datenbankwerk nach § 4
Abs. 2 UrhG nicht in Betracht, da die Struktur des Datenbankwerks weder ganz
noch in einem selbständig schützbaren Teil übernommen worden sei. In der
Nutzung von Einzeldaten aus den klägerischen Charts für die Erstellung der
HIT BILANZEN liege keine Bearbeitung oder Umgestaltung eines etwaigen
Datenbankwerks i.S. von § 23 Abs. 2 UrhG, weil ein hinreichender Abstand
zwischen den jeweiligen Strukturen bestehe.
Den Klägerinnen stünden die geltend gemachten Unterlassungsansprüche
auch nicht aus § 97 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit §§ 87a ff. UrhG zu. Zwar handele
es sich bei den von den Klägerinnen nach dem 31. Dezember 1982 erstellten
Charts jeweils um Datenbanken i.S. des § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG. Die
Beklagten hätten jedoch durch die Nutzung der von den Klägerinnen erstellten
Charts nicht deren ausschließliches Recht, das ihnen als Datenbankhersteller
nach § 87b Abs. 1 UrhG jeweils zustehe, verletzt. In der Neuzusammenstellung
von Daten aus den klägerischen Charts unter anderen Kriterien, welche die
Beklagten für ihre HIT BILANZEN vornähmen, liege keine Vervielfältigung von
Datenbankteilen oder ganzen Datenbanken i.S. von § 87b Abs. 1 UrhG. Bei
den HIT BILANZEN der Beklagten fehle die für die Chart-Listen typische Anordnung
der Daten in Form einer Ranking-Liste, geordnet nach Häufigkeit und
Titel. Die Beklagten hätten die genutzten Daten nach anderen Kriterien sortiert
und für einen längeren Zeitraum aufbereitet.
Den Klägerinnen stünden die geltend gemachten Unterlassungsansprüche
auch nicht gemäß § 1 UWG (a.F.) i.V. mit den Grundsätzen des ergänzenden
wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes zu. Zwar komme den von den
Klägerinnen erstellten Charts eine wettbewerbliche Eigenart zu, da der Verkehr
mit den im Auftrag des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft
e.V. ermittelten Daten eine besondere Gütevorstellung verbinde. Die Beklagte
habe die jeweils von den Klägerinnen erbrachte Leistung jedoch nicht unmittelbar,
d.h. unverändert übernommen. Sie habe die genutzten Daten nach anderen
Kriterien als die Klägerinnen sortiert und für einen längeren Zeitraum aufbereitet.
Darin liege auch keine nachschaffende Übernahme, da sich das
nachgeschaffene Leistungsergebnis von seinem Vorbild hinreichend deutlich
absetze.
II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung
der Berufung der Beklagten mit der aus dem Tenor ersichtlichen
Maßgabe. Den Klägerinnen stehen die noch im Streit befindlichen Unterlassungs-,
Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche gemäß § 97
Abs. 1 i.V. mit § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG, § 242 BGB wegen Verletzung des
Rechts an den von ihnen ab dem 1. Januar 1983 hergestellten Datenbanken
zu (vgl. Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken, ABl.
EG Nr. L 77 v. 27.3.1996, S. 20).
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings Ansprüche der Klägerinnen
wegen Verletzung von Urheberrechten an Datenbankwerken nach § 97
Abs. 1 i.V. mit § 4 UrhG verneint. Die Auswahl und Anordnung der Elemente
der wöchentlich erstellten "Airplay-" und "Music-Sales-Charts" stellt keine persönliche
geistige Schöpfung i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 UrhG dar. Die Darstellung
der TOP 100-Hits nach Rangziffer, Titel und Interpret nebst der Vorwochenplazierung,
der höchsten Plazierung sowie der Nennung des "Labels" ergibt
sich nahezu zwangsläufig aus dem Verwendungszweck einer Hitliste. Diese
weist daher keine Struktur auf, die einer persönlichen geistigen Schöpfung
bedarf. Insoweit erhebt die Revision auch keine Beanstandungen.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts,
in der Zusammenstellung der Daten in den von der Beklagten
vertriebenen HIT BILANZEN liege kein Eingriff in das Recht der Klägerinnen
als Datenbankhersteller nach § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG, weil die äußeren Gestaltungsmerkmale
der Chart-Listen der Klägerinnen bei der Erstellung der angegriffenen
HIT BILANZEN nicht übernommen worden seien.
a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß es sich
bei den Sammlungen, bestehend aus den von den Klägerinnen wöchentlich
erhobenen Daten (Titel, Interpret, Label, Verkaufszahlen und Abspielhäufigkeit
im Hörfunk), zum Erstellen der "Music-Sales-Charts" und den "Airplay-Charts"
jeweils um eine Datenbank i.S. des § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG handelt.
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß es sich bei
den von den Klägerinnen erhobenen und in den wöchentlichen Chart-Listen
verzeichneten und veröffentlichten Titeln, Labels und Interpreten der genannten
Musikstücke um Daten handelt, die systematisch und methodisch angeordnet
und einzeln zugänglich sind. Die Anordnung ergibt sich aus der Sortierung
der Daten nach den erhobenen Verkaufszahlen oder der Abspielhäufigkeit im
Hörfunk und der daraus ermittelten Platzziffer. Diese sind auch einzeln zugänglich.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung handelt es sich bei den
Daten auch um unabhängige Elemente i.S. des § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG.
Dieses Erfordernis ist gegeben bei einer Sammlung von Elementen, die sich
voneinander trennen lassen, ohne daß der Wert ihres informativen, literarischen,
künstlerischen, musikalischen oder sonstigen Inhalts dadurch beeinträchtigt
wird (EuGH, Urt. v. 9.11.2004 - Rs. C-444/02, GRUR 2005, 254 Tz. 29 ff.
- Fixtures-Fußballspielpläne II). Die Information, daß ein bestimmtes Musikstück
beispielsweise auf Platz 9 der Chart-Liste steht, hat für sich genommen
einen Aussagegehalt. Es bedarf dazu nicht der Kenntnis der weiteren Elemente
und ihrer Inhalte.
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß die Beschaffung
der in den Chart-Listen der Klägerinnen enthaltenen Daten eine
nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.
aa) Die den Schutz des Datenbankherstellers regelnde Vorschrift des
§ 87b Abs. 1 UrhG beruht auf Art. 7 Abs. 1 und Abs. 5 der Richtlinie 96/9/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den
rechtlichen Schutz von Datenbanken. Bei der Auslegung des Begriffs einer
"nach Art oder Umfang wesentlichen Investition" i.S. von § 87a Abs. 1 Satz 1
UrhG ist daher auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 96/9/EG abzustellen. Nach der
Neunten, Zehnten und Zwölften Begründungserwägung der Richtlinie soll diese
Investitionen in "Datenspeicher- und Datenverarbeitungs"-Systeme fördern und
schützen, die zur Entwicklung des Informationsmarkts in einem Rahmen beitragen,
der durch eine expotentielle Zunahme der Daten geprägt ist, die jedes
Jahr in allen Tätigkeitsbereichen erzeugt und verarbeitet werden. Daraus folgt,
daß der Begriff der mit der Beschaffung, der Überprüfung oder der Darstellung
des Inhalts einer Datenbank verbundenen Investition allgemein dahin zu verstehen
ist, daß er die der Erstellung dieser Datenbank als solche gewidmete
Investition bezeichnet (EuGH, Urt. v. 9.11.2004 - Rs. C-203/02, GRUR 2005,
244 Tz. 30 - BHB-Pferdewetten; Urt. v. 9.11.2004 - Rs. C-338/02, GRUR 2005,
252 Tz. 23 - Fixtures-Fußballspielpläne I; GRUR 2005, 254 Tz. 39 - Fixtures-
Fußballspielpläne II). Das Ziel des durch die Richtlinie geschaffenen Schutzes
besteht darin, einen Anreiz für die Einrichtung von Systemen zur Speicherung
und Verarbeitung vorhandener Informationen zu geben. Der Begriff der mit der
Beschaffung des Inhalts einer Datenbank verbundenen wesentlichen Investition
schließt mithin solche Mittel ein, die der Ermittlung von vorhandenen Elementen
und deren Zusammenstellung in der Datenbank gewidmet werden. Er
umfaßt dagegen nicht die Mittel, die eingesetzt werden, um die Elemente zu
erzeugen, aus denen der Inhalt einer Datenbank besteht (vgl. EuGH GRUR
2005, 244 (Leitsatz 1) - BHB-Pferdewetten; GRUR 2005, 252 Tz. 24 - Fixtures-
Fußballspielpläne I; GRUR 2005, 254 Tz. 40 - Fixtures-Fußballspielpläne II).
Zu den berücksichtigungsfähigen Investitionen zählen damit solche Aufwendungen,
die zur Beschaffung von vorhandenen Elementen, deren Überprüfung
und Zusammenstellung als Inhalt einer Datenbank erbracht werden (EuGH
GRUR 2005, 244 (Leitsatz 1) - BHB-Pferdewetten; Leistner, JZ 2005, 408, 409;
Sendrowski, GRUR 2005, 369, 371).
bb) Das Berufungsgericht hat die Investitionen der Klägerinnen zur Ermittlung
der Verkaufszahlen sowie der Hörfunkeinsätze der Titel mit Recht als
berücksichtigungsfähige Investitionen angesehen. Das Landgericht hat diese
vom Berufungsgericht bestätigte Annahme auf die Verwendung der mit hohen
Kosten entwickelten und teilweise patentgeschützten Geräte zur möglichst fehlerfreien
Ermittlung der Daten gestützt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Es handelt sich dabei um die Feststellung tatsächlicher Vorgänge und
somit um die Ermittlung von vorhandenen Elementen zur Zusammenstellung in
eine Datenbank. Die Information als solche existiert bereits und wird nicht erzeugt;
sie steht auch weiterhin jedermann zur Verfügung. Es handelt sich folglich
um eine Investition zu deren Beschaffung und Sammlung, zu deren Suche,
Auffinden, Erfassen, Aufbereiten und Art der Bereitstellung, die das Leistungsschutzrecht
nach § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG begründet (vgl. EuGH GRUR
2005, 244 Tz. 32 ff. - BHB-Pferdewetten; GRUR 2005, 252 Tz. 24 ff. - Fixtures
Fußballspielpläne I; GRUR 2005, 254 Tz. 40 ff. - Fixtures-Fußballspielpläne II;
Ullmann, FS für Brandner, 1996, S. 507, 508). Ein potentieller Konkurrent
könnte mit ähnlichem wirtschaftlichem Aufwand sich die fraglichen Daten
gleichfalls beschaffen.
c) Die Klägerinnen sind auch jeweils Inhaber dieser Leistungsschutzrechte.
Sie haben die Chart-Listen selbst hergestellt.
d) Die Beklagte und deren Geschäftsführer haben mit der Vervielfältigung
und Verbreitung der von den Klägerinnen erhobenen Daten in den HIT
BILANZEN in die Rechte der Klägerinnen als Datenbankhersteller eingegriffen.
Allein den Klägerinnen steht als Datenbankherstellern das ausschließliche
Recht zu, die Datenbank insgesamt oder in einem nach Art und Umfang wesentlichen
Teil zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben
(§ 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG).
Die Beklagten verbreiten Bücher und CD-ROMs unter dem Titel HIT BILANZ,
z.B. die in den Klageanträgen genannte CD-ROM "HIT BILANZ Deutsche
Chart-Singles 1956 bis 1998". Diese Bücher und CD-ROMs stellen Vervielfältigungsstücke
i.S. der Wiedergabe des Werks in einer den menschlichen
Sinnen unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbaren Verkörperung dar. Die Vervielfältigung
ist auch rechtserheblich i.S. des § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG (vgl.
hierzu EuGH GRUR 2005, 244 Tz. 52 - BHB-Pferdewetten).
Die Vervielfältigung ist dann ein Eingriff in das ausschließliche Recht des
Datenbankherstellers nach § 87b Abs. 1 UrhG, wenn sie einen nach Art oder
Umfang wesentlichen Teil der Datenbank betrifft oder eine wiederholte und
systematische Vervielfältigung von nach Art und Umfang unwesentlichen Teilen
der Datenbank vorliegt, die Vervielfältigung jedoch einer normalen Auswertung
der Datenbank zuwiderläuft oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers
unzumutbar beeinträchtigt.
Die von der Beklagten vertriebenen HIT BILANZEN bestehen aus den
Daten der von den Klägerinnen wöchentlich erstellten Charts, die in jeweils
größeren Zeiträumen zusammengefaßt werden (beispielsweise HIT BILANZ/
deutsche Chart-Singles 1956 bis 1998). Ferner werden die dargestellten
Daten alphabetisch nach den Interpreten sortiert. Diejenigen Titel, mit denen
ein Interpret in den Charts vertreten war, werden aufsteigend nach Jahren geordnet
angegeben. Zudem werden das Label des Produzenten und die höchste
Rangziffer in der Chart-Liste genannt. Damit hat die Beklagte die von den Klägerinnen
erhobenen Daten einschließlich der Rangziffer übernommen und vervielfältigt.
e) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf
an, daß es an der typischen Anordnung der Daten in Form einer "Ranking-
Liste" fehlt. Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung des Begriffs der
Übernahme eines nach "Art oder Umfang wesentlichen Teils der Datenbank"
zu Unrecht auf die äußere Darstellung, die Sortierung und die Zusammenfassung
der Daten abgestellt. Auf die Übernahme der Anordnung der Daten in
einer der Datenbank des Herstellers entsprechenden Gestaltung kommt es
nicht an. Die andersartige Anordnung der entnommenen Daten durch den
Verwender hat nicht zur Folge, daß diese ihre Eigenschaft als wesentlicher Teil
der Datenbank verlieren (EuGH GRUR 2005, 244 Tz. 81 - BHB-Pferdewetten;
Sendrowski, GRUR 2005, 369, 374).
Es ist auch nicht erforderlich, daß die Beklagte sich die Daten durch einen
unmittelbaren Zugang zur Datenbank der Klägerinnen verschafft (vgl.
EuGH GRUR 2005, 244, 248 Tz. 53 f. u. 67 - BHB-Pferdewetten).
Das Verbot der Entnahme eines in qualitativer und quantitativer Hinsicht
der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts der Datenbank soll
nach der 42. Begründungserwägung der Richtlinie 96/9/EG verhindern, daß ein
Benutzer "durch seine Handlungen einen qualitativ oder quantitativ erheblichen
Schaden für die Investition verursacht". Dabei bezieht sich der "wesentliche
Teil" des Inhalts der Datenbank in qualitativer Hinsicht auf die Bedeutung der
mit der Beschaffung, der Überprüfung oder der Darstellung des Inhalts des
Gegenstands der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe
verbundenen Investitionen unabhängig davon, ob dieser Gegenstand einen
quantitativ wesentlichen Teil des allgemeinen Inhalts der geschützten Datenbank
darstellt. Der wesentliche Teil des Inhalts der Datenbank in quantitativer
Hinsicht bezieht sich auf das entnommene und/oder weiterverwendete Datenvolumen
der Datenbank und ist im Verhältnis zum Umfang des gesamten Inhalts
der Datenbank zu beurteilen (EuGH GRUR 2005, 244, 250 Tz. 70 f.
- BHB-Pferdewetten).
Im Streitfall hat die Beklagte sowohl in qualitativer als auch in quantitativer
Hinsicht den wesentlichen Teil der Datenbanken der Klägerinnen vervielfältigt
und verbreitet. Dabei bezieht sich die Übernahme der Daten insbesondere
auf diejenigen Teile, die mit erheblichen Investitionen verbunden sind. Denn
die Rangziffer des jeweiligen Musikstücks ergibt sich aus der Häufigkeit, mit
der ein Titel im Hörfunk gespielt oder im Handel verkauft wird; deren Ermittlung
ist kostenintensiv.
f) Für den nach § 87b Abs. 1 UrhG zu gewährenden Schutz ist es unerheblich,
daß die von der Beklagten erstellte HIT BILANZ als Buch oder CDROM
einem anderen Verwendungszweck dient als die Chart-Listen der Klägerinnen.
Die 42. Begründungserwägung der diesen Sui-generis-Schutz begründenden
Richtlinie 96/9/EG macht deutlich, daß das "Recht auf Verbot der Entnahme
und/oder Weiterverwendung der Gesamtheit oder eines wesentlichen
Teils des Inhalts … sich nicht nur auf die Herstellung eines parasitären Konkurrenzprodukts
(bezieht), sondern auch auf einen Benutzer, der durch seine
Handlungen einen qualitativ oder quantitativ erheblichen Schaden für die Investition
verursacht". Der Begriff des "Vervielfältigens" i.S. des § 87b Abs. 1
Satz 1 UrhG ist daher ebenso wie der in der Richtlinie 96/9/EG verwendete
Begriff der "Entnahme" dahin auszulegen, daß er sich auf jede Handlung bezieht,
die darin besteht, sich ohne die Zustimmung der Person, die die Datenbank
erstellt hat, die Ergebnisse ihrer Investition anzueignen bzw. sie öffentlich
verfügbar zu machen und ihr damit die Einkünfte zu entziehen, die es ihr ermöglichen
sollen, die Kosten dieser Investition zu amortisieren (EuGH GRUR
2005, 244 Tz. 47, 51 - BHB-Pferdewetten). Im Streitfall eignet sich die Beklagte
bei der Erstellung ihrer Bücher und der CD-ROM mit dem Titel HIT BILANZ die
Investitionen der Klägerinnen an, indem sie deren Daten nutzt und es den Klägerinnen
so erschwert, ähnliche Werke zur Amortisierung ihrer Investitionen
auf den Markt zu bringen. Bei dieser Beurteilung ist nicht ausgeschlossen, daß
die Beklagte entsprechende Nachschlagewerke auf eigener Datenbasis erstellt.
Sie muß die dafür erforderlichen Daten nur mit eigenem wirtschaftlichen
Aufwand selbst erheben.
g) Die Vorschrift des § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG schränkt das Grundrecht
der Informationsfreiheit ein. Dieses kann jedoch nach Art. 5 Abs. 2 GG durch
die allgemeinen Gesetze beschränkt werden, zu denen auch das Urheberrechtsgesetz
gehört. Die Regelungen der §§ 87a ff. UrhG stehen im Spannungsfeld
zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten
Zugang zur Information und dem Schutz eines Datenbankherstellers vor der
Bedrohung, durch unberechtigte Verwendung eines von ihm geschaffenen
Wirtschaftsgutes einschließlich der von ihm erbrachten Investitionen Schaden
zu nehmen. Dem Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten Zugang
zur Information trägt § 87b Abs. 1 UrhG dadurch Rechnung, daß eine Nutzung
erlaubt ist, wenn sie keinen wesentlichen Teil der Datenbank betrifft, der normalen
Auswertung der Datenbank nicht zuwiderläuft und die berechtigten Interessen
des Datenbankherstellers nicht unzumutbar beeinträchtigt werden
(vgl. Vogel in Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., Vor §§ 87a ff. UrhG Rdn. 18;
Dreier in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, § 87b Rdn. 5 ff.).
Die Beklagte verletzt danach mit der Vervielfältigung und der Verbreitung
der von den Klägerinnen erhobenen Daten deren sich aus § 87b Abs. 1 Satz 1
UrhG ergebendes Recht als Datenbankhersteller. Die Voraussetzungen für
einen Erlaubnistatbestand nach § 87c UrhG sind nicht gegeben.
h) Der festgestellte Verstoß gegen § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG rechtfertigt
gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 UrhG den geltend gemachten Unterlassungsanspruch.
Soweit die Klägerinnen neben dem Verbot der Vervielfältigung und der
Verbreitung auch ein Verbot der Bearbeitung und der Umgestaltung ihrer Music-
Charts beanspruchen, machen sie durch den Bezug auf die konkrete Buchreihe
"HIT BILANZ" und die CD-ROM "HIT BILANZ Deutsche Chart-Singles
1956 bis 1998" noch hinreichend deutlich, daß sie nicht jede Bearbeitung und
Umgestaltung verbieten lassen wollen, sondern nur eine Bearbeitung und Umgestaltung
durch Zusammenfassen der wöchentlich von den Klägerinnen erhobenen
Daten und deren Anordnung nach Interpreten.
i) Nach § 127g Abs. 2 Satz 1 UrhG sind die am 1. Januar 1998 in Kraft
getretenen §§ 87a bis 87e UrhG auch auf Datenbanken anzuwenden, die zwischen
dem 1. Januar 1983 und dem 31. Dezember 1997 hergestellt worden
sind. Deren gemäß § 87d UrhG fünfzehnjährige Schutzfrist beginnt am
1. Januar 1998 (§ 137 Abs. 2 Satz 2 UrhG) und ist somit noch nicht abgelaufen.
Bücher und CD-ROMs der Beklagten, die Daten aus den Datenbanken
der Klägerinnen i.S. des § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG vervielfältigen und dabei
ausschließlich Daten der Klägerinnen entnehmen, die vor dem 1. Januar 1983
erhoben worden sind, unterliegen somit nicht dem Schutz der §§ 87a ff. UrhG.
Für diese besteht auch kein wettbewerbsrechtlicher Schutz. Ein solcher knüpft
an die wettbewerbliche Eigenart des übernommenen Produkts an (BGHZ 141,
329, 340 - Tele-Info-CD; BGH, Urt. v. 28.10.2004 - I ZR 326/01, GRUR 2005,
166, 168 = WRP 2005, 88 - Puppenausstattungen). Die Beklagte hat die Daten
aus den Chart-Listen der Klägerinnen ohne eine besondere Anordnung nach
Platzziffern übernommen. Diesen Daten für sich genommen kommt keine wettbewerbliche
Eigenart zu. Sie sind als solche nicht geeignet, auf eine bestimmte
betriebliche Herkunft hinzudeuten.
Folglich war klarzustellen, daß sich das vom Landgericht ausgesprochene
Verbot nicht auf den Vertrieb eines Werkes erstreckt, welches, wie zum Beispiel
das Buch "HIT BILANZ Deutsche Chart-Singles 1956 bis 1980", lediglich
Daten vor dem 1. Januar 1983 wiedergibt.
j) Darüber hinaus steht den Klägerinnen nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz
2 UrhG der in Form des Feststellungsanspruchs geltend gemachte Schadensersatzanspruch
zu, da den Beklagten - entsprechend den Feststellungen
des Landgerichts - ab Dezember 2000 Fahrlässigkeit zur Last fällt. Denn die
Klägerinnen haben mit ihrem Abmahnschreiben vom 1. Dezember 2000 gegenüber
den Beklagten deutlich gemacht, daß sie zumindest in der Zukunft
eine unentgeltliche Nutzung der von ihnen erhobenen Daten nicht mehr hinnehmen
werden. Der Auskunftsanspruch ist zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs
aus § 242 BGB begründet.
Soweit der Auskunftsanspruch darauf abstellt, daß Bücher und CDROMs
der Beklagten Charts der Klägerinnen "enthalten oder auf ihnen basieren",
könnte dies dem Wortlaut nach auch solche Schriftstücke und CD-ROMs
erfassen, bei denen keine Vervielfältigung eines wesentlichen Teils der Datenbank
der Klägerinnen i.S. des § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG zugrunde liegt. Der
Klageantrag stellt jedoch durch seinen Bezug auf die konkrete Verletzungsform
der Buchreihe "HIT BILANZ" und der CD-ROM "HIT BILANZ Deutsche Chart-
Singles 1956 bis 1998" die Art und Weise der Vervielfältigung bzw. der Entnahme
der Daten der Klägerinnen hinreichend deutlich klar.
Auch soweit der Schadensersatzanspruch auf eine "Nutzung" der
TOP 100 Single-Charts, der TOP 100 Longplay-Charts sowie der Airplay-
Charts abstellt, geht der Antrag zwar dem Wortlaut nach über einen Verstoß
gegen § 87b Abs. 1 UrhG hinaus, ist aber durch die Bezugnahme in den übrigen
drei Anträgen auf die Buchreihe "HIT BILANZ" und die CD-ROM "HIT
BILANZ Deutsche Chart-Singles 1956 bis 1998" im Wege der Auslegung hinreichend
deutlich auf diese Vervielfältigung einzuschränken.
Der Auskunfts- und der Schadensersatzfeststellungsausspruch dürfen
- ebenso wie der Unterlassungsausspruch - keine Bücher oder CD-ROMs erfassen,
die ausschließlich aus gemeinfreien Daten der Klägerinnen bestehen.
Auch dies war im Tenor klarzustellen.
k) Die Ansprüche der Klägerinnen sind nicht verwirkt. Die Beklagten berufen
sich insoweit erfolglos darauf, daß die Klägerinnen die Übernahme der
Einzeldaten durch die Beklagte nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich gestattet
hätten. Der Inhalt der von ihnen vorgelegten Schreiben sowie der Umstand,
daß die Klägerinnen Anzeigen in den von der Beklagten herausgegebenen
Büchern HIT BILANZEN veröffentlicht haben, tragen eine solche Annahme
nicht, wie das Landgericht bereits zutreffend dargelegt hat. Den Klägerinnen
muß insbesondere nach Umsetzung der Datenbank-Richtlinie mit Wirkung zum
1. Januar 1998 und dem damit ausdrücklich im Urheberrecht normierten
Schutz der Rechte des Datenbankherstellers vorbehalten bleiben, diese Rechte
nunmehr geltend zu machen.
III.
Danach war das angefochtene Urteil auf die Revision der Klägerinnen
aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil
mit der klarstellenden zeitlichen Einschränkung auf Daten der Klägerinnen, die
ab dem 1. Januar 1983 hergestellt worden sind, zurückzuweisen.
(...)
drucken www.kanzlei-flick.de
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