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Angebotserstellung und Schutz von Vorleistungen bei IT-Projekten:*
Gerade Gründerfirmen müssen immer wieder die Erfahrung machen, dass vermeintliche Auftraggeber ihre Angebote nur dazu verwenden, um die darin enthaltenen Ideen und Programmstrukturen zu übernehmen. Oft bekommt man den Eindruck, es werden mehrere Firmen nur deswegen zur Abgabe eines Angebotes eingeladen, um die Summe dieser Angebote kostenlos als "Brainstorming" zu benutzen und eigene Produkte zu verbessern. Das Urheberrecht schützt schließlich nur die konkrete Ausgestaltung der Software, wie sie im Quelltext ihre Verkörperung gefunden hat. Die zugrunde liegende Idee ist nicht geschützt und kann daher grundsätzlich übernommen werden, sofern kein Patent vorliegt. Die Frage ist, ob man sich gegen die Verwendung von Angeboten dennoch wehren kann und inwieweit auch schon Angebote einem Schutz vor unerlaubter Übernahme unterliegen.
Zustandekommen von Verträgen
Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, es sei im Falle einer Übernahme tatsächlich zur Annahme von Planungsleistungen gekommen und dadurch ein Vertrag über diese zustande gekommen. Verträge kommen aber nur durch Angebot und Annahme zustande. Das bedeutet, die Parteien müssen sich auf einen bestimmten Vertragsinhalt geeinigt haben, der die wesentlichen Punkte des Geschäftes regelt und in dem beide Parteien übereinstimmen. Das wird man schon dann nicht annehmen können, wenn man sich nicht über den Preis einigen konnte oder sich aus dem vorhandenen Schriftverkehr ergibt, dass es sich erst um ein Angebot handeln sollte. Da hilft einem auch nicht das Gesetz weiter. Denn der Grundsatz aus dem Werkvertragsrecht, dass bei Fehlen einer Vergütungsvereinbarung die übliche Vergütung zu zahlen sei (§ 632 Abs. 2 BGB), kann nur dann gelten, wenn tatsächlich ein Vertrag geschlossen wurde. Kann eine - ausdrückliche oder stillschweigende - Vereinbarung der Werkvertragsparteien über die Vergütung nicht festgestellt werden, darf ein Vergütungsanspruch bereits dann nicht zugesprochen werden, wenn an der Vergütungspflicht durchgreifende Zweifel bestehen (vgl. BGH Urteil vom 08.06.2004; ger. Az.: X ZR 211/02).
Zudem ist die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf Software umstritten. Sofern aber die Vertragsverhandlungen über ein noch so ausführliches Angebotsschreiben nicht hinaus gekommen sind, ist im Zweifel nicht davon auszugehen, dass ein Vertrag besteht.
Das aussagekräftige Angebot beim "Pitching"
Nun haben aber auch die Auftraggeber erkannt, dass die räuberische Ausnutzung von Angeboten dazu führen kann, dass Agenturen und Softwarehäuser kaum noch aussagekräftige Angebote machen. Dies kann sogar dazu führen, , dass ein Softwarehaus den Zuschlag erhält, welches zwar das beste und meistversprechende Angebot unterbreitet hatte, tatsächlich am Ende aber mit der Durchführung überfordert ist. Eine solche Fehlentscheidung kann dem Auftraggeber teuer zu stehen kommen: Wenn das Projekt nicht abgeschlossen werden kann, verliert der Auftraggeber wertvolle Zeit und damit eventuell seinen Vorsprung am Markt. Um diese Fehleinschätzung von Angeboten zu vermeiden, können es sich manche Auftraggeber leisten, Softwarehäuser zu einem Angebotswettbewerb, ähnlich einem "Pitching" einzuladen. Entwickler werden also gebeten, aussagekräftige Angebote zu machen, in denen sie bereits sehr viel über die geplante Umsetzung der Aufgaben, Ablaufpläne und Programmstruktur preisgeben.
Damit die Leistung eines Anbieters auch wirklich überprüft werden kann, müssen die Angebote allerdings erhebliche Vorleistungen enthalten. Im Gegenzug verspricht der Auftraggeber für die Erstellung dieser Angebote bereits eine Vergütung, in der Hoffnung , dass die Firmen so auch wirklich ihr ganzes Potenzial offen legen. Somit ist also tatsächlich ein wirklicher Vertrag über die Erstellung eines Angebotes zustande gekommen. Anders als im Agenturbereich ist diese Art von Angebotswettbewerb in der Softwarebranche aber eher noch die Ausnahme. Ohne ausdrückliche Vereinbarung wird man in der Regel auch nicht auf einen Vergütungsanspruch für das Angebot schließen können.
Leistungsschutz durch Vorvertrag - der Letter of Intent
Wenn man schon keine Einladung zum Pitching erhält, wäre es als IT-Anbieter doch schön, zumindest einen Vorvertrag, einen Letter of Intent (LoI), abschließen zu können. Aber auch das wird eher die Ausnahme bleiben, weil man den Vertragspartner kaum dazu bringen wird, sich bereits in einem so frühen Stadium eines Projektes zu binden. Dieser möchte ja gerade mehrere Angebote frei prüfen, ohne bereits irgendwelche Verpflichtungen eingegangen zu sein. Der Vertragspartner wird nicht unnötig gegenüber Dritten vertragliche Pflichten eingehen wollen, die gesetzlich nicht vorgegeben sind. Auch gibt die Forderung nach einem Vorvertrag mit eventuell enthaltener Geheimhaltungsklausel und Vertragsstrafe nicht ganz das gängige Machtverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wieder. Nur in Ausnahmefällen wird es dem Verhandlungsgeschick des Softwarehauses unterliegen, einen solchen Vorvertrag abschließen zu können.
Hierbei gibt es verschiedene Ausgestaltungen mit unterschiedlich starker Bindung. Es kann sein, dass die Parteien durch den Vorvertrag nur ihre Verhandlungsposition schriftlich festhalten. Es soll nur die weitere Vorgehensweise der Angebotsphase geregelt werden, bei dem der tatsächliche Abschluss des Vertrages noch völlig offen ist(LoI). Oder aber die Parteien sind sich bereits insoweit einig, dass sie in jedem Fall zusammenarbeiten wollen. Letztere Vereinbarung würde man als echten Vorvertrag bezeichnen, der zum Abschluss eines Vertrages verpflichtet. Im Falle einer rechtswidrigen Lösung vom Vorvertrag können dann auch Schadensersatzansprüche entstehen. Sofern eine solche Bindung nicht gewünscht ist, sollte man dies in einen LoI aufnehmen.
Geheimhaltungsklauseln und AGBen
Sofern eine vertragliche Bindung nicht möglich ist, sollte man zumindest versuchen, sich seine Rechte durch allgemeine Geschäftsbedingungen zu sichern. Dies ist aber auch im rein geschäftlichen Bereich nicht grenzenlos möglich. Hinzu kommt, dass vorvertragliche Pflichten nur schwer in den AGB geregelt werden können, weil eben noch kein Vertrag besteht. Andererseits können scharf formulierte AGB aber auch dazu dienen, Auftraggeber von der kostenfreien Übernahme von Angebotsleistungen abzuschrecken.
Ansprüche bei Ideenklau
Grundsätzlich sind die Parteien bereits bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf erkennbare Interessen des anderen verpflichtet (§ 311 BGB sog. c.i.c.). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Auftraggeber in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt, er werde einen Auftrag erteilen. Diese Rücksichtnahme führt aber nicht soweit, dass der Auftraggeber über eine Beauftragung nicht mehr frei entscheiden kann. Die Entscheidung z.B. für ein günstigeres Angebot reicht aus, um eine Haftung entfallen zu lassen.
Sofern man sich auf keinen Vorvertrag oder (auch konkludente) Beauftragung zur Abgabe eines umfangreichen Konzeptes und Angebotes berufen kann, besteht eventuell die Möglichkeit, dennoch eine übliche Vergütung für die eigenen Aufwendungen zu verlangen. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, in wessen Interesse der Programmierer die Vorarbeiten erbringt (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1996, 83). Handelt es sich bei dem Angebot und den darin enthaltenen Entwürfen also um Leistungen, die überwiegend zu Akquisezwecken erstellt werden, besteht kein Anspruch auf Vergütung. Überwiegt hingegen bereits im Angebot die planerische Tätigkeit und übersteigt diese sogar noch den Aufwand für die spätere Umsetzung, ist von einem Aufwandsersatz auszugehen (OLG Nürnberg NJW-RR 1993, 760).
Sofern ausnahmsweise die Angebote derart detailliert sind, dass man tatsächlich von einem Werk im Sinne des Urheberrechtes ausgehen kann, stehen einem die Rechte aus dem Urheberrecht zu. Aber auch das Entwurfsmaterial für ein Computerprogramm ist gem. § 69a Abs. 1 UrhG ausdrücklich geschützt. Zu beachten ist hierbei, dass auch die Bearbeitung eines Werkes, also auch die Weiterentwicklung von Entwürfen einer Software der Zustimmung des Urhebers bedarf. Sollte das Angebot und die darin enthaltenen Vorleistungen auch neuartige Bildschirmgestaltungen enthalten, ist auch über ein Geschmacksmusterschutz nachzudenken. Dieser ist eventuell auch ohne Anmeldung in den ersten drei Jahren als Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt.
Vorgehen gegen Dritte
Sofern in dem Angebot bereits urheberrechtlich schutzfähige Elemente enthalten sind, kann der Anbieter sein Urheberrecht auch bei Dritten durchsetzen. Damit sind auch Konkurrenten gemeint, die mit der billigen Umsetzung der eigenen Ideen beauftragt sind. Es wäre auch zu prüfen, ob diese Drittfirmen nicht gegen das Verbot des Verschaffens von vertraulichen Vorlagen (§ 18 UWG) verstoßen haben. Auf diese Art und Weise besteht die Möglichkeit, den Streit mit einem Kunden auf einen Konkurrenten zu verlagern.
"First Mover"
Sofern man sich in einem Bereich bewegt, der weder nach Urheberrecht oder sonstigen Leistungsschutzrechten oder vertraglichen Bindungen geschützt ist, kann ein sinnvoller Schutz aber auch dadurch entstehen, indem man sog. "First Mover" ist und bleibt. Sofern Ideen und deren Umsetzung derart vom üblichen Standard abweichen, wird man einen Vorsprung dadurch bekommen, dass es eben sonst niemanden gibt, der diese Ideen gleichwertig umsetzen kann. Um den Vorsprung vor der Konkurrenz zu behalten und seine eigenen Ideen vor dem Klau durch Dritte zu schützen, ist es wichtig, die Position des "First Mover" beizubehalten. Dies bedeutet dann aber vor allem, dass man auch seine Mitarbeiter "bei der Stange" halten und diese nicht nur ideell an sich binden muss. Gerade im Bereich der Softwareentwicklung und -beratung steht und fällt die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens mit dem Wissen seiner Mitarbeiter. "The business of business is people" sagt man zurecht in den USA. Ein guter Schutz vor Übernahme von Leistungen durch Dritte ist also der Vorsprung gegenüber Mitbewerbern bei der Umsetzung von Ideen durch die Belegschaft. Diesen Vorsprung zu halten, kann also auch zu einer arbeitsrechtlichen Aufgabe werden.
Formulierung und Abgabe des Angebotes
Trau, schau wem! Man sollte sich bei allen Vertragsverhandlungen darüber im Klaren sein, dass man mit ihnen auch Firmengeheimnisse preisgibt. Bereits die Kalkulation eines Angebotes kann für Konkurrenten beispielsweise wichtige Informationen enthalten. Auch angebotene Lösungswege können vom Auftraggeber dankend aber ohne Bezahlung übernommen werden. Letztlich wird man jedoch ein hinreichend bestimmtes Angebot erstellen müssen, will man den Auftraggeber von seiner Leistung überzeugen. Es kann sich daher empfehlen, schrittweise vorzugehen und Know-How erst nach einem ersten Grobentwurf preiszugeben. Bei der Formulierung von Angeboten sollte man im Hinblick auf das BGH-Urteil zur Konzepterstellung (s.o.) den Eindruck vermeiden, die in den Angeboten enthaltenen Entwürfe würden erst im Falle einer späteren Beauftragung als Planungsarbeiten berechnet.
Alle Angebote sollten allerdings den deutlichen Hinweis enthalten, dass es sich um vertrauliche Informationen handelt, die nicht zur Weitergabe an Dritte bestimmt sind und auch nicht verwertet werden dürfen. Dadurch besteht zumindest die Möglichkeit, die Angebote und die darin enthaltenen Entwürfe als Vorlagen und Pläne im Sinne von § 18 UWG zu werten. Diese Vorschrift stellt nämlich die Übernahme von anvertrauten Vorlagen und Entwürfen unter Strafe und führt danach zu Schadensersatzansprüchen. Voraussetzung ist hierfür aber, dass es sich um hinreichend detaillierte Vorlagen handelt, aus denen sich nicht nur offenkundige Umsetzungsmöglichkeiten ergeben. Schließlich sollte man schon bei der Formulierung berücksichtigen, dass ein Angebot tatsächlich auch angenommen werden kann. In ein Angebot dürfen daher nur solche Pflichten (und Preise) aufgenommen werden, die man auch erfüllen kann, weil sonst erhebliche Schadensersatzpflichten folgen können.
Fazit
Nur in Ausnahmefällen wird man sich bei der Übernahme von Konzepten und Angeboten durch den erhofften Auftraggeber auf die Durchführung von Entwürfen und somit auf bestehende Verträge berufen können. Angesichts der Tatsache, dass § 69a Abs. 1 UrhG aber das Entwurfsmaterial ausdrücklich in den Schutz einbezieht und Vorstufen des Programms, wie zum Beispiel ein Flussdiagramm beziehunsgweise ein Datenflussplan, geschützt sind, sollte man einen möglichen Urheberrechtsschutz und Unterlassungsansprüche jedenfalls prüfen lassen. Darüber hinaus ist bereits bei der Formulierung von Angeboten auf einen Schutz von darin enthaltenen Leistungen hinzuweisen. Und der Anbieter sollte in seine AGB einen Hinweis auf Urheberrechtsschutz, der unabhängig von der gesetzlich geforderten Schöpfungshöhe ist, aufnehmen.
* Der Beitrag erschien auch im Rahmen des Best-Practice-Handbuchs für die IT-BRanche der Wirtschaftsbehörde der Stadt Hamburg
© 2006 Kanzlei Flick Rechtsanwälte, Colonnaden 18, 20354 Hamburg
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