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Pfändbarkeit einer Domain
§§ 829, 857 ZPO
LG München I; Beschluss vom 12.02.2001; - 20 T 19368/00-

Eine Internet-Domain ist kein pfändbares Recht im Sinne der §§ 829, 857 ZPO.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand und Entscheidungsgründen:
Die zulässige Beschwerde der Gläubiger gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 11.09.2000 - in berichtigter Fassung vom 22.01.2001 - (§§ 793 I, 569, 577 II ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg.

In Übereinstimmung mit der angefochtenen amtsgerichtlichen Entscheidung vom 11.09.2000 gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine von den Gläubigern beantragte Pfändung der bei der DENIC eG für den Schuldner unter der Top-Level-Domain: .de registrierten Second-Level-Domainnamen mit den Bezeichnungen:

"xxxxx.de"; "yyyyy.de"; "zzzzz.de" und "aaaa.de"

nicht vorliegen.

Soweit mit der Entscheidung des Amtsgerichts vom 11.09.2000 - verbunden mit dem Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts vom 22.01.2001 - lediglich der Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts vom 28.06.2000 naufgehoben wurde, ist mit der vorliegenden Entscheidung zur Klarstellung auch der Antrag der Gläubiger vom 07.06.2000, soweit er hinsichtlich der Domain "xxxx.de" ohnehin zurückgenommen wurde, zurückzuweisen.

Der Schuldner beruft sich mit Erfolg auf eine Unzulässigkeit einer Pfändung seiner obenbezeichneten Domainnamen.
Grundsätzlich gibt § 857 ZPO dem Gläubiger die Möglichkeit, zum Zweck der Befriedigung seiner titulierten Forderung nicht nur auf das bewegliche Vermögen ( § 803 ff ZPO) und auf Geld oder Sachforderungen (§§ 829, 846 - 848 ZPO) sowie unbewegliches Vermögen (§§ 864, 865 ZPO), sondern auch auf andere vermögensrechtliche - zumindest nach privatrechtlichen Grundsätzen übertragbare - Rechte Zugriff zu nehemen. Auch unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung der §§ 829, 857 ff. ZPO, nämlich dem Gläubiger eine umfassende Zugriffsmöglichkeit auf Vermögensrechte des Schuldners zu verschaffen, gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass nach der derzeitigen Rechtslage insbesondere unter Berücksichtigung des bestehenden Vergabesystems die nach dem vorliegenden Antrag der Gläubiger zu pfändenden Domains nicht als selbstständig pfändbare und unter Mitwirkung der Vollstreckungsorgane verwertbare Rechts gemäß §§ 829, 857 ff ZPO anzusehen sind.

Die Rechtsnatur der Domains ist bisher in der Rechtsprechung vorwiegend im Rahmen von Entscheidungen zu geltend gemachten Verletzungen von Markenrechten, geschäftlichen Bezeichnungen, geografischen Herkunftsangaben sowie Namen unter Bezug auf §§ 14, 15, 126 MarkenG, § 12 BGB, § 37 II HGB, § 823, 1004 BGB, §§ 1, 3 UWG erörtert worden (vgl. das System der Domainnamen im Internet, Rz 296 ff zu § 3 MarkenG, Fezer 2. Auflage). Abweichend von einzelnen gerichtlichen Entscheidungen, die auf die freie Wählbarkeit der Buchstabenkombination für den Domainnamen abstellen (LG Köln BB 1997, 1121) bejaht die Kammer mit dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung, der sich die Kammer bereits in der den Parteien vorliegenden Etnscheidung vom 28.6.2000 (CR 2000, 620) angeschlossen hat, neben der Adressfunktion auch die Namens- und Kennzeichenfunktion von Domains. Zum Schutzbedürfnis des Inhabers eines Domainnamens ist nämlich festzustellen, dass die beteiligten Verkehrskreise einen Domainnamen nicht nur als Verbindung zu dem durch das Internet angeschlossenen Rechner, sondern auch zu dem Inhaber des Domainnamens auffassen. Soweit diese Erwartung enttäuscht wird, führt die Verwendung auch eines frei wählbaren Kennzeichens oder Namens zu einer Zuordnungsverwirrung und Identitätstäuschung (vgl. Rz 305 zu § 3 MarkenG, Fezer 2. Auflage und BGH zur Fernschreibkennung GRUR 86, 475).

Im Zusammenhang mit der hier zu entscheidenden Frage der Zulässigkeit einer Pfändung und Verwertung von Domains ist in der von der Gläubigerpartei angeführten Entscheidung des Landgerichts Essen von 22.09.1999 (CR 2000, 247) zur Rechtsnatur eines Domainnamens darauf abgestellt, dass Domainnamen übertragbar seien und dass auf einem bestimmten Markt Domainnamen angeboten und entgeltlich erworben werden. Soweit in der Literatur (RA Dr. Harald Schneider: "Pfändung und Verwertung von Internet-Domains", ZAP 1999, 1199; Dr. Gunda Plaß: "Die Zwangsvollstreckung in die Domain", WRP 2000, 1077) die Pfändbarkeit und Verwertung von Domains bejaht wird, erörtern die Verfasser der genannten Aufsätze zwar die in der Rechtsprechung zum Namens- und Kennzeichenschutz festgestellte Hinweisfunktion von Domains, gelangen jedoch zu dem Ergebnis, dass Kennzeichenrechte an der Domain und der Namensschutz des Domain-Inhabers der Pfändung einer Domain nach § 857 ZPO des Domain-Inhabers der Pfändung nicht entgegenständen, weil die nur lose Verknüpfung, die der Verkehr zwischen der Domain und dem durch sie gekennzeichneten Subjekt oder Objekt vornehme, einen gesetzlichen Ausschluss der Übertragbarkeit der Domain nicht zu rechtfertigen vermöge. Die Domain stelle eine rechtlich geschütztes Vermögensrecht gem. § 857 ZPO dar und sei daher pfändbar (vgl. Dr. Plaß WRP 2000,1085).

Zur Frage der rechtlichen Zuordnung von Domains sind die DENIC-Registrierungsbedingungen sowie DENIC-Registrierungsrichtlinien, die die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Schuldner und der DENIC Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft eG (im folgenden: DENIC), die die von den Gläubigern nach ihrem Antrag zu pfändende Inhaberschaft der im Antrag aufgeführten Domainnamen begründen, heranzuziehen. Dazu ist vorab klarzustellen, dass der Pfändungsantrag der Gläubiger nicht auf durch den Schuldner mit Providern/Servern im Zusammenahng mit der Registrierung bei der DENIC begründete Nutzungsrechte, sondern die Rechtsposition des Schuldners als Inhaber der im Pfändungsantrag genannten Domainnamen sowie der Rechte aus der erfolgten Registrierung des DOmainnamens bezogen ist. Zu den "Aufgaben" der DENIC nach § 2 der DENIC-Registrierungsbedingungen gehört es, dass - soweit die Domain nicht bereits für einen Dritten registriet ist - die angemeldete Domain unter dem Top-Level .de in einem dafür vorgesehenen technischen Verfahren registriert wird. In § 2 I der DENIC-Registrierungsbedingungen erklärt die DENIC dazu, dass sie nicht verpflichtet sei zu prüfen, ob die Nutzung durch den Anmelder rechtmäßig ist. Lediglich bei offensichtlichen Rechtsaverletzungen kann danach die DENIC die Registrierung verweigern. In § 2 III der geannten Bedingungen ist geregelt, dass ein sogenannter "Dispute-Eintrag" auf Veranlassung von Dritten, die sich in rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Inhaber einer Domain befinden, eingetragen werden könne, wenn die DENIC und der ISP (Internet Service/Provider, der DENIC Genosse ist) von möglichen Ansprüchen des Dritten freigestellt werden. Zur Domain-Übertragung erklärt die DENIC in § 6 Abs. 2 der genannten Bedingungen, dass die Domain übertragbar sei un die DENIC die Domain an einen vom Kunden benannten Dritten, wenn der Kunde den Registrierungsvertrag kündigt und der Dritte einen Auftrag zur Registrierung erteilt, übertrage, soweit nicht ein "Disput-Eintrag" entgegenstehe.

In der Einleitung der DENIC-Registrierungsrichtlinien ist zur Registrierungstätigkeit der DENIC bestimmt, dass die DENIC die Registrierung von Internet-Domains unterhalb der deutschen Top- Level Domain.de vernehme und dies ohne Gewinnerzielungsabsicht zum Nutzen aller am Internet Interessierten erfolgte.
Aus dieser sich aus den DENIC-Registrierungsrichtlinien und -Registrierungsbedingungen ergebenden vertraglichen Beziehung zwischen dem Anmelder/Inhaber einer Domain und der DENIC folgt, dass im Rahmen der Vergabe eines Domainnamens unter dem Top-Level. de von Seiten der DENIC als Vergabestelle zur Frage der Rechtmäßigkeit der Nutzung des Domainnamens des Anmelders/Inhabers, d. h. der Beziehung des Anmelders zu dem angemeldeten Domainnamens keinerlei Prüfung vorgenommen wird. Die Informationen der DENIC zur Domainregistrierung (http://www.denic.de/doc/recht/faq/domainregistrierung.html) enthalten den Hinweis, dass ein Prüfungsverfahren bei 200.000 Neuanmeldungen pro Monat zu aufwendig und zu teuer und es sachgerecht sei, dass der Anmelder und Nutzer das Risiko, von Dritten in Anspruch genommen zu werden, trage. Dazu wird in der genannten Information der DENIC empfohlen, sich bei der Anmeldung einer Domain eines ISP (Internet Service Provider), der selbst Genosse der DENIC eG sei oder mit einem Domainregistrierung und -verwaltung zu erheblichen günstigeren Preisen als die DENIC selbst anbiete, zusammenzuarbeiten.

Die dargelegte Ausgestaltung des Vergabesystems durch die DENIC steht nach Auffassung der Kammer damit einem im Rahmen der Prüfung der Voraussetzung des § 857 ZPO in Betracht kommenden Vergleich der Domainnamen mit pfändbaren Marken- und Patentrechten (§ 15 PatG, § 29 MarkenG) als immaterielle Schutzrechte entgegen. Zum einen ist die Pfändbarkeit dieser genannten immateriellen Schutzrechte gesetzlich ausdrücklich geregelt. Zum anderen ist die Verselbständigung dieser Rechte nicht ohne das gesetzlich bestimmte, der Vergabe von Marken und Patenten vorgeschaltete, Prüfungsverfahren zu sehen, das im Fall der Vergabe von Domainnamen fehlt.

Die obengenannte Bestimmung des § 6 der DENIC-Registrierungsbedingungen mit der dort von Seiten der DENIC erklärten Übertragbarkeit und die in der Praxis von der DENIC erfolgenden Umregistrierungen sind nicht geeignet, die Zulässigkeit einer Pfändung und Verwertung von Domainnamen im Wege der Zwangsvollstreckung zu begründen. Aus den obengenannten vertraglichen Beziehungen zwischen dem Anmelder und der DENIC folgt, dass die Zusage der Übertragbarkeit ausschließlich darauf bezogen ist, dass die DENIC bereit ist, auf Anweisung des Inhabers der Domain oder eines eingeschalteten Providers eine Umregistrierung des Domainnamens hinsichtlich des Inhabers vorzunehmen und die DENIC damit auf einen Anspruch auf Rückübertragung der Domain durch den bisherigen Inhaber auf die DENIC mit der Folge, dass die DENIC zu Gunsten anderer Interessenten über den Domainnamen verfügen kann, verzichtet. Die von der DENIC zugesagte Übertragbarkeit bezieht sich mithin lediglich auf die Registrierung, enthält jedoch unter Berücksichtigung von § 2 der DENIC-Registrierungsbedingungen keinerlei Aussage zur materiellrechtlichen Zulässigkeit der Übertragung von Nutzungsrechten an einer registrierten Domain. Die im Rahmen des Registrierungsverfahren von der DENIC eG zugesagte Übertragbarkeit rechtfertigt nach der bestehenden Regelung der Vergabe damit nicht die Annahme, dass die Domain trotz ihre in der Regel auf den Inhaber der Domain hinweisenden Funktionen als vom Inhaber der Domain losgelöste und damit pfändbare Rechte anzusehen sind.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass durch die beschränkte Anzahl von unterscheidbaren Domainnamen -Secon-Level-Domains- sowie Top-Level-Domains und das Prioritätsprinzip bei der Vergabe dazu führen, dass im Zusammenhang mit Umregistrierungen Entgelte bezahlt werden und im übrigen die grundsätzlich mögliche freie Wählbarkeit der Buchstabenzusammensetzung der Second-Level-Domainnamen in einzelnen Fällen eine enge Beziehung zwischen der Domain und dem durch sie gekennzeichneten Subjekt oder Objekt und damit eine Hinweisfunktion nicht erkennen lassen (vgl. zur Multifunktionalität von Internet-Domains Dr. Gunda Plaß, WRP 2000, 1077; Dr. Andreas W. Renck, NJW 99, 3587). Ein tatsächlich bestehender Markt für Domainnamen rechtfertigt es hier jedoch nicht - auch unter Berücksichtigung eines schutzwürdigen Interesses der Gläubigerpartei, auf sämtliche Vermögenswerte eines Schuldners Zugriff nehmen zu können, die Zulässigkeit einer Pfändung und Verwertung von Domainnamen im Wege der Zwangsvollstreckung zu bejahen. Wenn unter Berücksichtigung von § 6 der DENIC-Registrierungsrichtlinien die Verwaltung bereits bestehender Domainregistrierungen praktisch von der DENIC auf die Ebene der bisherigen Kunden und Provider verlagert wird und begünstigt durch diese Bestimmung der Registrierungsbedingungen ein Markt entstanden ist, mag dies auch die Schlußfolgerung nahelegen, dass Domainnamen selbständige - vom Inhaber losgelöste - Rechte darstellen. Dem widerspricht jedoch bereits die Tatsache, dass Interessenten gerade im Hinblick auf die durch eine Domain erfolgten Hinweise auf den registrierten Inhaber der Domain, dessen Wirkungskreis, Firma, Waren, Dienstleistungen etc. erhebliche Entgelte für Domainnamen anbieten und bezahlen. Soweit unterschiedliche Funktionen der Domains - neben der Namens- und Kennzeichenfunktion - bestehen und die Funktion einer Domain im Einzelfall im Rahmen der Vergabe - wie oben dargelegt - auch nicht geprüft wird, erachtet es die Kammer im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen der Pfändbarkeit von Domainnamen gemäß §§ 829, 857 ff ZPO als sachgerecht, darauf abzustellen, dass der durchschnittliche Internetbenutzer eine Domain als Hinweis auf ihren Inhaber bzw. dessen Wirkungskreis Namen, Dienstleistung etc. ansieht.

Im Rahmen der Prüfung der Pfändbarkeit und Verwertung einer Domain im Weg der Zwangsvollstreckung kann bei der Würdigung des tatsächlich bestehenden und durch die obengenannten Bestimmungen der DENIC-Registrierungsbedingungen begünstigten Marktes für Domainnamen nicht außer Acht gelassen werden, dass das Vergabesystem diesen Markt in seinen unterschiedlichen Ausgestaltungen - teilweise nach der Rechtsprechung mit unzulässigen Erscheinungsformen (vgl. LG Frankfurt/M. mit weiteren Rechtsprechungshinweisen zur Frage der Rechtswidrigkeit und Sittenwidrigkeit spekulativer Domain-Registrierungen, CR 1998, 765) ermöglicht, dieser Markt jedoch lediglich als Nebenfolge und nicht als Zweck des Vergabesystems anzusehen ist.

Es kann hier dazu dahinstehen, ob durch die aus § 6 Abs. 2 der genannten Bedinungen folgende mögliche Umregistrierung nach Anweisung des Kunden - im Widerspruch zu der Feststellung in der Einleitung zu den DENIC-Registrierungsrichtlinien, wonach die DENIC die Registrierungen ohne Gewinnerzielungsabsicht zum Nutzen aller am Internet interessierten vornimmt - Kunden, die bereits Inhaber von Domainnamen sind, und Provider und damit eigene Genossen gegenüber Neuinteressenten bevorzugt werden.

Lediglich ergänzend ist dazu im übrigen auch festzustellen, dass als Konsequenz einer Zulässigkeit einer Pfändung und Verwertung von Domains im Weg der dann von Gläubigern in der Regel auch auf die Domain eines Schuldners erstreckten Zwangsvollstreckung die von der Vergabestelle DENIC nicht geleistete und bisher gesetzlich nicht geregelte Prüfung der Vergabe der Rechte zur Nutzung von Domainnamen und Verfügung über Domainnamen auf das Vollstreckungsgericht - zuständig beim Amtsgericht der Vollstreckungsrechtspfleger - verlagert würde. Im Fall einer Erinnerung des Schuldners unter Berufung auf ihm zustehenden Ausschließlichkeitsrechte sowie zur Frage von möglichen Rechtsverletzungen im Rahmen der Verfügung über einen Domainnamen unter Mitwirkung des Vollstreckungsgerichtes insoweit auch nicht - abweichend vom Fall der Geltendmachung von Rechten Dritter gem. § 771 ZPO - auf eine mögliche Klärung im streitigen Verfahren berufen (§ 766 ZPO).

Nach obigen Darlegungen kommt es für die Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr darauf an, ob der Schuldner an den Antrag aufgeführten Domainnamen, soweit der Antrag aufrechterhalten wurde, Namens- oder Firmenrechte besitzt.
(...)


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