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Fundstelle: MMR 1998, 46

§ 5 Abs. 3 MarkenG

"bike.de" LG Hamburg: Urteil vom 13.08.1997 Az.: 315 O 120/97; (rechtskräftig)

Die Klage eines Inhabers einer Zeitschrift gegen die Verwendung des Zeitschriftentitels als Teil einer Domain ist erst dann begründet, wenn der Titel nach § 5 Abs. 3 MarkenG bei den angesprochenen Verkehrskreisen derart bekannt wäre, daß die Verwendung des Titels als Domain für diese Kreise einen Hinweis auf die Zeitschrift enthält.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:

Die Klägerin ist Verlegerin einer Zeitschrift für Mountainbike-Fahrer mit dem Titel "Bike". Die Beklagten sind Inhaber der Internet-Domain "bike.de", unter der sie einen gewerbsmäßigen Online-Dienst für Mountainbiker unterhalten. Die Kl. macht an der Bezeichnung "bike.de" Titelschutz und Markenrechte geltend. Sie trägt vor, die Benutzung des Domainbestandteiles "bike.de" durch die Bekl. verletze ihre Namens- und Titelrechte und sei wettbewerbs- und sittenwidrig. Die Bekl. nutzten die Bekanntheit und den Ruf der Zeitschrift "Bike" in den maßgeblichen Fachkreisen - bei den Mountainbikern - aus. Die Bekanntheit der Zeitschrift ergebe sich aus einer Auflage von etwa 100.000 Exemplaren pro Ausgabe und dem achtjährigen Bestehen der Zeitung.

Die Bekl. tragen vor, die Wahl des Domain-Namens "Bike" beruhe auf dem Gedanken, daß Bike im Radsport zum Synonym für "Fahrrad" geworden sei. Die Domain diene dem Informationsaustausch von Radsportinteressierten; keineswegs unterhielten sie einen Online-Dienst. Die Bekl. sind der Meinung, die Kl. könne aus ihrem Titel "Bike" keine Rechte herleiten, da es sich um eine beschreibende Bezeichnung handelt die freihaltebedürftig sei. Von einer Verkehrsgeltung des Titels könne ebenfalls nicht gesprochen werden, da diesbezüglich eine sehr hohe Verkehrsdurchsetzung vorliegen müßte. Schließlich gebe es keine Kollision von Domain-Namen mit existierenden Titeln, da eine Internetadresse keine Namensfunktion habe.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Kl. kann den Bekl. nicht verbieten lassen, ein Informations- und Werbeforum unter der Domain "bike.de" zu unterhalten. Die Verwendung dieser Internetadresse verletzt keine Markenrechte der Kl. und stellt sich auch nicht als rufausbeutend und daher sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG dar.

Voraussetzung beider Anspruchsgrundlagen wäre eine ausreichende Bekanntheit des Titels der Kl., die nicht vorgetragen ist. Der Kl. stehen nach ihrem Vortrag keine Rechte aus den §§ 5 Abs. 3, 15 Abs. 2 MarkenG zu. Zwar genießt die Kl. Titelschutz für ihren Zeitschriftentitel "Bike". Dieser wird jedoch nicht verletzt, wenn die Bekl. eine Internetadresse "bike.de" unterhalten. Dies wäre nur anzunehmen, wenn der Titel der Kl. so bei den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt wäre, daß die Verwendung einer Internetadresse, die als einzigen kennzeichnenden Bestandteil das Wort "bike" enthält, für diese Kreise einen Hinweis auf die Zeitschrift der Kl. enthielte. Davon kann jedoch nach dem Klägervortrag nicht ausgegangen werden. Der Beweisantritt der Kl. zur Bekanntheit ihres Titels in ihrer Klageschrift ist nicht ausreichend substantiiert, es wäre erkennbar ein Ausforschungsbeweis. Die Kl. trägt weder vor, welche Teile des Verkehrs in Betracht kommen sollen, noch Umstände, aus denen sich eine erhöhte Verkehrsbekanntheit überhaupt ergeben könnte. Als einzige Tatsache, an die für die Frage der Verkehrsdurchsetzung angeknüpft werden konnte, ist die Auflagenhöhe von etwa 100.000 Exemplaren vorgetragen. Die Kl. hat aber noch nicht einmal die AWA-Reichweitenzahlen vorgetragen, aus denen sich wenigstens die Zahl der tatsächlichen Leser ermitteln ließe. Gewöhnlich liegt das Verhältnis von Auflage zu Leserschaft etwa zwischen 1 zu 2 und 1 zu 3, so daß die Zeitschrift der Kl. eine Zahl von 200.000 bis 300.000 Lesern haben dürfte. Diese Zahl ist erkennbar keine Ausgangsbasis für eine Verkehrsdurchsetzung, wie sie für die Monopolisierung eines so allgemeinen Begriffs wie "bike" erforderlich ist. Dieses engl. Wort ist dem deutschen Publikum ohne weiteres als Wort für Fahrrad verständlich und wird auch in Zusammensetzungen (Mountainbike) und Ableitungen (Biker) verwendet. Es ist eines der vielen aus dem engl. übernommenen Wörter aus dem Bereich des Sports. An diesem Wort besteht deshalb ein konkret feststellbares Freihaltebedürfnis nicht nur der Fahrradbranche, sondern auch der Presse, die sich damit beschäftigt. Maßgebliche Verkehrskreise, auf deren Kenntnis des Titels es vorliegend ankommt, sind aber nicht nur die Leser von Zeitschriften aus dem Bereich des Fahrradsports bzw. der Mountainbikefahrer, sondern alle daran Interessierten, wahrscheinlich sogar alle Nachfrager von Fahrrädern, wozu dann fast die gesamte Bevölkerung gehören dürfte. Um die Zeitschrift der Kl. zu lesen oder sich für die Internetseiten der Bekl. zu interessieren, muß man keineswegs selbst aktiver Biker sein, denn die Internetseiten der Bekl. wenden sich ihrerseits an alle Internetuser, wenngleich - wie die vorgelegten Seiten zeigen - inhaltlich faktisch zugeschnitten auf die "Bikerszene" im engeren Sinne. Zugang zum Internet haben zur Zeit etwa 2 Millionen deutsche Haushalte. Es ist nach dem Klägervortrag ausgeschlossen, daß dieser Kreis, der Zugang zur Domain der Bekl. hat, die Zeitschrift der Kl. in zu forderndem Maße kennt. So hat die Kl. keine Werbeaufwendungen vorgetragen, die z. B. geeignet wären, den Titel über den Bereich der Leserschaft hinaus bekannt zu machen. Dann aber wird die Bekanntheit dieses Special- Interest Titels nicht wesentlich über die Leserreichweite hinausgehen, die aber ebenfalls nicht vorgetragen ist, sich aber kaum jenseits der 300.000 Leser bewegen dürfte. Deshalb braucht kein Sachverständigenbeweis darüber erhoben zu werden, wievielen Personen genau der Titel "Bike" bekannt ist, wenn die Größenordnung für die erforderliche Verkehrsdurchsetzung bereits nach dem Vortrag der Kl. nicht erreicht wird.

Dies schließt allerdings einen Schutz des Titels als solchen für die Zeitschrift selbst nicht aus. Der Schutzbereich ist ohne Verkehrsdurchsetzung allerdings minimal und ohne erhöhte Bekanntheit auf Identitätsverletzungen beschränkt, daß heißt auf eine Kennzeichnung einer Zeitschrift mit dem Wort "Bike". Das Anbieten von Informationsseiten für Fahrradinteressierte unter der Domain "bike.de" im Internet fällt nicht in diesen Schutzbereich. Denn die angesprochenen Verkehrskreise haben keinen Anlaß, unter "Bike" dort lediglich die Kl. zu erwarten, weil diese eine Zeitschrift mit "Bike" betitelt. Anlaß dies anzunehmen haben die Verkehrskreise allenfalls, wenn sie die Zeitschrift schon in ausreichendem Maße kannten und der Begriff "Bike" in der Vorstellung des Publikums von der Kl. als Herkunftshinweis für sich besetzt hätte. Dafür gibt wie ausgeführt der Klägervortrag keinen Anhaltspunkt. Auch wenn man die - gerichtsbekannte - Übung von Unternehmen berücksichtigt, unter ihren Firmen und auch unter ihren Produktkennzeichnungen Internetseiten anzubieten, so bedeutet dies für den Verkehr im Umkehrschluß nicht, daß es sich bei jeder Internetkennung um eine Marke oder einen Namen handeln muß. Dies ist auch die insoweit zutreffende Auffassung beispielsweise des LG Köln ("kerpen.de"). Die Internetadresse ist frei wählbar; dabei mag es für ein Unternehmen zwar naheliegen, eine benutzte oder eingetragene Marke zu wählen, zwingend ist dies keineswegs. Es ist ebenso naheliegend, gängige Sachbezeichnungen zu wählen und für die große Zahl privater Anbieter allemal näherliegend. Und es muß berücksichtigt werden, worauf die Bekl. zurecht hinweisen, daß es keineswegs zwingend und durch die DENIC vorgegeben ist, daß eine Marke in Alleinstellung erscheint. Es ist durchaus denkbar, daß Zusätze aufgenommen werden, die es hier der Kl. ermöglichen würden, ihren Titel trotz der belegten Adresse "bike.de" als Domain-Namen zu wählen, etwa "bike.Zeitschrift.de" oder ähnliches. Der Verkehr braucht deshalb auch keineswegs Internet-Domain-Namen stets mit bekannten Marken zu identifizieren. Bei derart beschreibenden Begriffen wie vorliegend "Bike" ist dies für den Verkehr besonders fernliegend. Denn die Seiten der Bekl. geben auch keine Hinweise darauf, die dem Verkehr nahelegten, hier könnte doch die Zeitschrift der Klägerin im Internet präsent sein. Verwechslungen und auch Rufübertragungen sind deshalb nicht in nennenswertem Umfang zu befürchten. Die Beeinträchtigung der Kl. beschränkt sich vorliegend erkennbar darauf, daß sie nicht unter der bloßen Adresse "" ins Internet gehen kann, weil die Vergabestelle DENIC Adressen nach Zeitrang vergibt. Darauf hat sie aufgrund ihres Titels allerdings keinen Anspruch. Es gibt viel zu viele gleichlautende Namen, auch Marken aus verschiedenen Branchen und beschreibend zu gebrauchenden Titel, als daß eine Vergabe der Internet-Domains generell nach Markenprioritäten durchzusetzen wäre. Bei bekannten Marken kann aber resultieren, daß eine gleichlautende Internetadresse unzulässig wird, häufig liegt aber eher ein wettbewerbswidriges Verhalten vor, nämlich Behinderungswettbewerb oder Rufausbeutung (Domain-Piraterie), als eine klare markenrechtliche Zuwiderhandlung. Vorliegend bleibt zusammenzufassen, daß der Verkehr angesichts der erkennbar beschreibenden Natur des Wortes "Bike" und angesichts der nicht vorgetragenen Bekanntheit des Titels der Kl. keine Verbindung herstellen wird zwischen der Zeitschrift der Kl. und der Internetseiten der Bekl.

(...)


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