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Tenor Tatbestand Entscheidungsgründe zurück zu den Urteilen
Haftung des Forumbetreibers
BGB § 823 Ah, G, § 1004, StGB § 185, TMG § 10
BGH; Urteil vom 27.03.2007; ger. Az: - VI ZR 101/06 -
Ein Unterlassungsanspruch wegen eines in ein Meinungsforum im Internet eingestellten ehrverletzenden Beitrags kann auch dann gegen den Betreiber des Forums gegeben sein, wenn dem Verletzten die Identität des Autors bekannt ist.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)
Aus dem Tatbestand:
Der Kläger ist Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender eines Vereins,
dessen satzungsmäßiger Zweck u.a. die Bekämpfung von Kinderpornographie
im Internet ist.
Die Beklagte ist Betreiberin eines Internetforums, das sich mit
sexuellem Missbrauch und Kinderpornographie beschäftigt.
Nachdem der Kläger selbst einen Beitrag in das Forum eingestellt hatte, veröffentlichte ein Unbekannter
dort unter dem Pseudonym "Katzenfreund" einen Beitrag, durch den
sich der Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, ebenso durch den
später eingestellten Beitrag eines Autors mit dem Pseudonym "Rumtrauben",
dessen Identität dem Kläger bekannt ist. Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung
der Verbreitung dieser Beiträge, Zahlung einer Geldentschädigung von
mindestens 2.000,00 € und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in
Höhe von 1.187,38 € in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens
bezüglich beider Beiträge und eines Teils der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten
stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht
die Klage hinsichtlich des Beitrags des dem Kläger bekannten Verfassers
"Rumtrauben" und der insoweit beanspruchten Rechtsverfolgungskosten
abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt
der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte
erstrebt mit der Anschlussrevision die vollumfängliche Klageabweisung.
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in AfP 2006, 267 veröffentlicht
ist, beurteilt den Beitrag des Autors "Katzenfreund" als Meinungsäußerung,
die den Kläger in seiner Ehre verletze. Die Diffamierung werde nicht durch die
eigenen Beiträge des Klägers gerechtfertigt, mit denen dieser sich zuvor in dem
Forum in negativer Weise über seine Diskussionsgegner geäußert habe. Hinsichtlich
dieses Beitrags bestehe ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte,
weil sie als Betreiberin des Forums die Äußerung verbreite und sich insoweit
nicht auf das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit berufen könne. Demgegenüber
habe der Kläger keinen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte
hinsichtlich des Beitrags des ihm bekannten Autors "Rumtrauben". Im Falle der
Kenntnis von der Identität des Autors sei bei einem Meinungsforum vorrangig
derjenige in Anspruch zu nehmen, der sich geäußert habe. Ein Anspruch auf
Ersatz von Rechtsverfolgungskosten bestehe nur in Höhe von 310,65 € hinsichtlich
des Beitrags des Autors "Katzenfreund".
II.
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Die
Anschlussrevision der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Rechtlich zutreffend und von den Parteien im Revisionsrechtszug auch
nicht angegriffen wertet das Berufungsgericht den Beitrag des Autors "Katzenfreund"
als Meinungsäußerung, die den Kläger wegen ihn schmähender Inhalte
in seiner Ehre verletzt und dessen Verbreitung er deshalb nicht hinnehmen
muss. Im Ansatz zutreffend nimmt das Berufungsgericht auch an, dass die Beklagte
als Betreiberin des Internetforums bei Kenntniserlangung von unzulässigen
Inhalten zum Sperren bzw. Entfernen des von einem Dritten eingestellten
Beitrags verpflichtet sein kann.
a) Diese Verpflichtung ergibt sich allerdings nicht, wie es im Berufungsurteil
anklingt, aus § 11 Nr. 2 TDG oder § 9 Nr. 2 MDStV. Für die Beurteilung des
in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs des Klägers ist das im Zeitpunkt
der Entscheidung geltende Recht maßgebend (BGHZ 131, 308, 311 f.),
welches grundsätzlich auch vom Revisionsgericht zu berücksichtigen ist (BGHZ
9, 101 f.). Abzustellen ist mithin auf die mit dem Gesetz zur Vereinheitlichung
von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste
(Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz-ElGVG)
vom 26. Februar 2007 am 1. März 2007 in Kraft getretenen Vorschriften des
Telemediengesetzes (BGBl I S. 179), welches an die Stelle des Teledienstegesetzes
und des Medienstaatsvertrages getreten ist. Die im Telemediengesetz
enthaltenen Vorschriften zur Verantwortlichkeit von Diensteanbietern (§§ 7 bis
10 TMG) haben die Regelungen des Teledienstegesetzes und die für Mediendienste
bisher geltenden entsprechenden Regelungen des Medienstaatsvertrages
unverändert übernommen (vgl. Begründung der Bundesregierung zum
Gesetzesentwurf vom 26. Oktober 2006, BT-Drucks. 16/3078, S. 15). Die diesbezüglichen
Vorschriften weisen keinen haftungsbegründenden Charakter auf und
enthalten ebenso wie schon die §§ 8 bis 11 TDG in der Fassung von Art. 1
Nr. 4 des Gesetzes vom 14. Dezember 2001 (BGBl I S. 3721) keine
Anspruchsgrundlagen. Wie sich aus § 7 Abs. 1 TMG ergibt, setzen die
nachfolgenden Bestimmungen des Gesetzes ebenso wie schon § 8 Abs. 1 TDG und
§ 5 TDG i.d.F. vom 22. Juli 1997 (BGBl I S. 1870) eine Verantwortlichkeit nach
allgemeinen Vorschriften des Zivil- oder Strafrechts voraus (vgl. Senatsurteil
vom 23. September 2003 - VI ZR 335/02 - VersR 2003, 1546 [zu § 5 TDG a.F.]
m.w.N.; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, 2. Aufl., Rn. 18). Nach
Auffassung des Schrifttums kommt diesen Vorschriften deshalb eine Art "Filterfunktion"
zu (vgl. Sobola/Kohl, CR 2005, 443, 445 m.w.N.). Vorliegend beruht
der Unterlassungsanspruch des Klägers auf § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004
Abs. 1 BGB analog sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB.
b) Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit lässt sich vorliegend insbesondere
nicht aus der Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG herleiten. Diese
Vorschrift findet ebenso wie § 11 TDG, worauf die Revisionserwiderung mit
Recht hinweist, auf Unterlassungsansprüche keine Anwendung. Wie sich aus
§ 7 Abs. 2 TMG und dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung
ergibt, betrifft § 10 TMG lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die
Schadensersatzhaftung (BGHZ 158, 236, 246 ff. zu § 11 S. 1 TDG).
Unterlassungsansprüche bleiben von dieser Vorschrift - ebenso wie auch schon von
§§ 8, 11 TDG bzw. § 5 TDG Abs. 1 bis 3 a.F. - unberührt (BGHZ aaO, S. 248).
c) Dem Unterlassungsanspruch steht auch nicht entgegen, dass der
beanstandete Beitrag vorliegend in ein so genanntes Meinungsforum eingestellt
worden ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die
Grundsätze, die der erkennende Senat für Fernsehsendungen aufgestellt hat, die
- wie etwa Live-Diskussionen - einen "Markt der Meinungen" eröffnen (Senatsurteil
BGHZ 66, 182, 188, "Panorama"), auf den vorliegenden Fall nicht übertragen
werden. Bei der Frage, ob das Fernsehen allein wegen des Ausstrahlens
einer ehrverletzenden Äußerung belangt werden kann, ist den Besonderheiten
Rechnung zu tragen, die sich aus seiner Rolle und den Möglichkeiten und
Zwängen fernsehgerechter Darstellung ergeben. Mit Rücksicht darauf hat der
erkennende Senat seinerzeit entschieden, dass eine Störerhaftung der
Fernsehanstalt zu verneinen sein kann, wenn während der Live-Übertragung einer
Fernsehdiskussion eine ehrverletzende Äußerung durch einen Dritten erfolgt
oder wenn das Fernsehen die kritische Äußerung eines Dritten aufgreift, ohne
sich mit ihr zu identifizieren (Senatsurteil BGHZ aaO, S. 189 f.).
Diese Überlegungen sind auf ein im Internet eröffnetes Meinungsforum
nicht übertragbar. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die für Live-
Sendungen in Rundfunk und Fernsehen geltende mediale Privilegierung sich
nicht auf Wiederholungen erstrecken kann, da dem Veranstalter hier die
Möglichkeit offen steht, die (erneute) Verbreitung von Äußerungen Dritter zu verhindern
(Jürgens, CR 2006, 188, 189; Pankoke, Von der Presse- zur Providerhaftung,
2000, S. 90). Entsprechendes gilt für Internetforen, sofern dem Betreiber
- wie vorliegend unstreitig - die erfolgte Rechtsverletzung bekannt ist. In dem
Unterlassen, einen als unzulässig erkannten Beitrag zu entfernen, liegt eine der
Wiederholung einer Rundfunk- oder Fernsehaufzeichnung vergleichbare
Perpetuierung der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen. Der Betreiber
eines Internetforums ist "Herr des Angebots" und verfügt deshalb vorrangig
über den rechtlichen und tatsächlichen Zugriff. Internetangebote sind - wie etwa
auch Aufzeichnungen im Fernsehen - dem nachträglichen Zugriff des Anbieters
in keiner Weise entzogen. Auch wenn von ihm keine Prüfpflichten verletzt werden,
so ist er doch nach allgemeinem Zivilrecht zur Beseitigung und damit zur
Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen verpflichtet (Jürgens/Köster, AfP
2006, 219, 222).
d) Entgegen der Meinung der Anschlussrevision kann die Beklagte dem
Unterlassungsanspruch auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Kläger habe
diese Äußerungen durch von ihm selbst zuvor in das Forum eingestellte eigene
Beiträge provoziert. Die Teilnahme an einem Meinungsforum kann nicht als
stillschweigende Erklärung der Einwilligung in Ehrverletzungen innerhalb dieses
Forums gewertet werden. Es mag sein, dass der Teilnehmer eines Forums, in
dem, wie es häufig und auch vorliegend der Fall ist, Äußerungen unter einem
Pseudonym eingestellt werden können, im Einzelfall damit rechnen muss, dass
er dort von anonym bleibenden Personen angegriffen und möglicherweise in
seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Wer dieses Risiko eingeht,
verzichtet damit aber grundsätzlich nicht auf Abwehransprüche hinsichtlich
künftiger Ehrverletzungen. Unterlassungsansprüche sind ihm deshalb nicht
abgeschnitten.
Der Kläger muss die in dem beanstandeten Beitrag enthaltene Ehrverletzung
auch nicht nach den Grundsätzen der Meinungsäußerungsfreiheit im
Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung hinnehmen, bei der die Vermutung
zugunsten der freien Rede sprechen kann (vgl. BVerfGE 7, 198, 212 =
NJW 1958, 257; BVerfGE 54, 120, 139 = NJW 1980, 2069; BVerfGE 61, 1, 7 =
NJW 1983, 1415; BVerfG NJW 1990, 1980). Der Schutz von Meinungsäußerungen
tritt nämlich regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrechtsschutz zurück,
wenn sich die betreffenden Äußerungen - wie vorliegend - als Schmähung darstellen
(vgl. BVerfGE 82, 272, 281 = NJW 1991, 95).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt ein Unterlassungsanspruch
vorliegend auch hinsichtlich des Beitrags b) des Autors "Rumtrauben" in Betracht.
a) Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Betreibers eines Internetforums
für dort eingestellte Beiträge entfällt nicht deshalb, weil dem Verletzten die
Identität des Autors bekannt ist. Wird ein ehrverletzender Beitrag in ein Forum
eingestellt, ist der Betreiber als Störer i.S.v. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zur
Unterlassung verpflichtet. Ebenso wie der Verleger die Quelle einer von einem
Presseerzeugnis ausgehenden Störung beherrscht und deshalb grundsätzlich
neben dem Autor eines beanstandeten Artikels verantwortlich ist (vgl. Senatsurteile
BGHZ 3, 270, 275 ff. und 14, 163, 174; Löffler/Steffen, Presserecht,
5. Aufl., LPG § 6, Rn. 276 f.), kann beim Fernsehen das Sendeunternehmen als
"Herr der Sendung" zur Unterlassung verpflichtet sein (Senatsurteil BGHZ 66,
182, 188). Diese Grundsätze gelten auch für den Betreiber eines Internetforums,
der insoweit "Herr des Angebots" ist. Der gegen ihn gerichtete
Unterlassungsanspruch des Verletzten besteht in gleicher Weise unabhängig von
dessen Ansprüchen gegen den Autor eines dort eingestellten Beitrags.
b) An einer Sachentscheidung darüber, ob vorliegend ein Unterlassungsanspruch
gegen die Beklagte hinsichtlich des Beitrags des Autors "Rumtrauben"
besteht, ist der Senat gehindert, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen
zum Inhalt dieses Beitrags getroffen und diesen auch nicht rechtlich
gewürdigt hat.
3. Hinsichtlich der Entscheidung des Berufungsgerichts über den
Anspruch des Klägers auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten
haben die beiderseitigen Rechtsmittel keinen Erfolg, da die Revision und die
Anschlussrevision insoweit nicht begründet worden sind.
(...)
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