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§§ 22, I Nr. 1; 26 GWB
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 14.09.1999; Az.: 11 U Kart 59/98 (ger Az. der Vorinsanz: - 2/06 O 283/98 -)

1. Die Denic (Vergabestelle für ".de" Domains) ist kein marktbeherrschendes Unternehmen i. S. des § 22 Abs. 1 Nr. 1 GWB.
2. Eine Weigerung der Denic, eine zwar registrierte, aber tatsächlich nicht genutzte Domain auf einen nutzungswilligen Interessenten umzuschreiben, verstößt nicht gegen das kartellrechtliche Behinderungsverbot.
3.Eine Prüfungspflicht bezüglich Rechte Dritter trifft die DENIC nicht
4. Lediglich bei Vorlage eines rechtskräftigen, vollstreckbaren Urteils, das dem bisherigen Inhaber der Domain die weitere Nutzung verbietet, ist die DENIC verpflichtet, dem Tenor des Urteils zu entsprechen und nach der Reihenfolge der Warteliste (Waitlist der DENIC) zu verfahren.

(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin veranstaltet in Frankfurt am Main verschiedene Messen, darunter auch die Frankfurter Messe "Ambiente", eine Messe für Tischkultur, Küche, Wohn- und Lichtkonzepte sowie Geschenkideen. Dabei ist die Klägerin Inhaberin der am 26.10.1994 eingetragenen Marke "Messe Frankfurt Ambiente". Die Beklagte ist zuständig für die Vergabe von Domain-Namen unter der sogenannten TOP-Level-Domain ".de". Der Untemehmenszweck der Beklagten besteht gemäß § 2 des Genossenschaftsstatuts in der Verwaltung und dem Betrieb von Internetadressen (Domain-Name), insbesondere der genannten TOP-Level-Domain, mit allen dazugehörigen Tätigkeiten für Mitglieder und Nichtmitglieder, z.B. Inkasso, rechnerische und betriebliche Betreuung der Anlagen und Geräte, Wahrnehmung der Interessen der Genossenschaft und Herstellung und Unterhaltung der notwendigen eigenen Konnektivität (national und international).
(...)
Nachdem in der Vergangenheit eine Reservierung für Domain-Namen möglich gewesen ist, setzt die Vergabe eines derartigen Namens nunmehr die sogenannte Konnektierung voraus. Dabei hat der Anmelder eines derartigen Namens für einen vollständigen Internetzugang zwei Name - server anzugeben, bei denen die Domain eingetragen ist.
Die Klägerin beabsichtigte, die Domain "ambiente .de" für sich bei der Beklagten registrieren zu lassen. Allerdings stellte sie fest, daß diese Domain bereits für einen Herrn D konnektiert war. Daraufhin setzte sich die Klägerin telefonisch mit ihm in Verbindung und verlangte die Freigabe der Domain. Unter dem 1.10.97 gab er eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, mit der er sich verpflichtete, jede Handlung zu unterlassen, die dazu führen könnte, daß diese Domain im Internet genutzt wird. Eine zusätzliche Freigabeerklärung enthielt dieses Schreiben an die Klägerin jedoch nicht. Vielmehr bezeichnete es der Streitverkündete als sein "ernsthaftes Ziel, die fragliche Domain dauerhaft dem Internet zu entziehen". Sein Schreiben endete mit der Bemerkung: "Wenn ich die Domain nicht nutzen kann, ohne daß Sie mich mit einem Rechtsstreit überziehen, dann soll sie niemand nutzen können!".
Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 13.10.1997, diese Unterlassungserklärung sei ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch noch nicht ausreichend. Mit Schreiben vom 12.11.1997 bat sie die Beklagte, die Domainüberlassung aufzukündigen und sie, die Klägerin, entsprechend einzutragen.
Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 18.11.1997 und lehnte im Hinblick auf die bereits bestehende Konnektierung ein derartiges Ansinnen ab.
Zur Zeit existiert zugunsten der Klägerin lediglich ein sogenannter WAITH-Eintrag, wonach sie in die Position des Herrn D einrückt, falls dieser die Domain "Ambiente.de" frei gibt.
Die Klägerin verfolgt mit der vorliegenden Klage die Aufhebung der Registrierung zugunsten des derzeitigen Domain - Inhabers D, dem die Beklagte mit Schriftsatz vom 7.9.98 den Streit verkündet hat, und ihre eigene Registrierung unter dem Domain-Namen "Ambiente" und der TOP-Level-Domain ".de".
(...) Mit Urteil vom 14.10.1998 hat das Landgericht Frankfurt am Main -6. Zivilkammer- der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Wegen der Begründung und des Inhalts dieses Urteils im einzelnen wird auf BI. 150 bis 157 d.A. Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 19.11.1998 - eingegangen bei Gericht am 19.11.1998 - hat der Streitverkündete B seinen Beitritt zu dem Rechtsstreit auf seiten der Beklagten erklärt und hat mit diesem Schriftsatz zugleich gegen das am 19.10.1998 der Beklagten zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
(...)

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufungen der Beklagten und auch ihres in zweiter Instanz beigetretenen Streithelfers (§ 70 ZPO) sind zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie haben auch in der Sache Erfolg und führen unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Abweisung der Klage.

Zunächst ist allerdings mit dem Landgericht ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klägerin zur Erhebung der entsprechenden Klage auch gegen die Beklagte anzunehmen. Zwar ist die Frage, ob die Klägerin nicht nur oder zuerst gegen den Streithelfer vorgehen müßte, maßgeblich zu berücksichtigen. Dies betrifft jedoch die materiell-rechtliche Beurteilung und der Klägerin steht insoweit kein wesentlich einfacherer Weg zum Erhalt der begehrten Domain - Eintragung zur Verfügung, zumal sie nicht nur deren Freigabe beantragt, sondern die Beklagte gleichzeitig zur Registrierung zu ihren Gunsten verpflichtet werden soll. Die mögliche Alternative, zunächst den Streithelfer unmittelbar in Anspruch zu nehmen, stellt nicht von vornherein einen schnelleren und günstigeren Weg zu diesem Ziel dar, weil auch insoweit die Durchführung eines Klageverfahrens erforderlich wäre. Deshalb kann die Klägerin nicht bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung darauf verwiesen werden, diese Möglichkeit auszuschöpfen, um schneller und einfacher zu der begehrten Registrierung zu gelangen.

Auch wenn damit die Klage als zulässig angesehen werden kann, besteht für die Klägerin derzeit jedoch kein Anspruch gegen die Beklagte, den Vertrag mit dem Streithelfer zu kündigen, seine Registrierung aufzuheben und an seiner Stelle die Klägerin mit dem Domain "Ambiente" nunmehr zu registrieren.

Die Klägerin kann ihr Begehren mit Erfolg weder auf kartellrechtliche Vorschriften noch auf die von ihr - allerdings nur am Rand - herangezogenen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen stützen.

Allerdings lassen sich derartige Ansprüche gegen die Beklagte nicht allein damit ausschließen, daß in diesem Fall ein Dritter "dazwischengeschaltet" ist und die Klägerin in jedem Falle nur gegen diesen vorgehen könnte.
Vielmehr kommen auch gegen die Beklagte als Domain-Vergabestelle Ansprüche in Betracht, soweit man jedenfalls eine direkte Verantwortlichkeit oder aber zumindest eine Mitverantwortlichkeit für etwaige rechtswidrige Domains allgemein zugrunde legt. Dabei lassen sich ohne weiteres eine täterschaftliche oder mittäterschaftliche Verletzung kennzeichen- oder wettbewerbsrechtlicher Tatbestände (§§ 14, 15 MarkenG, § 12 BGB ggf. i.V.m. § 823 BGB, § 1 UWG), eine Beihilfe zu derartigen Verletzungstatbeständen (§ 830 Abs. 2 BGB), eine Störerhaftung analog § 1004 i.V.m. den kennzeichen- oder wettbewerbsrechtlichen Tatbeständen sowie ein Anspruch aus §§ 20 Abs. 1, 33 GWB n.F. grundsätzlich in Erwägung ziehen.

Auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt finden allerdings die mit dem Teledienstegesetz (TDG) als Teil des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes (IuKDG) und dem Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) mit Wirkung zum 01.08.1997 in Kraft getretenen, neuen ausdrücklichen Verantwortlichkeitsregelungen für den Online-Bereich in § 5 TDG und in § 5 des Mediendienste-Staatsvertrages keine direkte Anwendung. Denn diese Vorschriften regeln lediglich die Verantwortlichkeit für das Bereithalten von Inhalten zur Nutzung und die Zugangsvermittlung zu diesen Inhalten. Der lnhaltsbegriff ist in dem TDG und dem Mediendienste-Staatsvertrag zwar nicht speziell definiert. Ausgehend von § 2 Abs. 1 TDG bzw. MDStV fallen hierunter solche Daten nicht, die den technischen Übermittlungsvorgang als solchen ermöglichen, steuern oder sonst allein darauf zugeschnitten sind, jedoch keine darüber hinausgehende Informationen enthalten. Im Hinblick auf den mit den genannten Bestimmungen verfolgten Regelungsgehalt kommt deshalb eine (Mit-)Verantwortlichkeit für rechtswidrige Domain-Registierungen und -Benutzungen nicht aus § 5 TDG bzw. § 5 MDStV in Betracht. Inhalt dieser Vorschriften sind erst diejenigen Informationen, die von dem mit Hilfe der Domain identifizierten Rechner abgerufen werden können. Nur für diese hat der Gesetzgeber die Frage der (Mit-) Verantwortlichkeit ausdrücklich geregelt (vgl. auch Nordemann, NJW 1997, 1891,1897; Bettinger/Freytag, CR 1/99, S.28 ff. m.w.N.).

Darüber hinaus kann auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf Domain-Vergabestellen wie die Beklagte nicht vorgenommen werden. Da diese Regelung lediglich die Verantwortlichkeit für Inhalte bestimmen und sich die Mitverantwortlichkeit dieser Stellen für rechtswidrig gewählte Second-Level-Domain sonst nur nach den ungeschriebenen Regeln der adäquat kausalen Zurechnung bzw. der sogenannten Störerhaftung bestimmen würde, kann von einer planwidrigen Regelungslücke nicht ausgegangen werden, zumal Anzeichen dafür fehlen, daß die Nichtberücksichtigung der Haftung für rechtswidrige Domain-Namen bei der Gesetzgebung in diesem Zusammenhang lediglich auf einem Versehen beruhte (vgl. Bettinger/ Freytag, a.a.O., S.31).

Dagegen kommen markenrechtliche Ansprüche jedenfalls im Hinblick auf eine mögliche mittelbare Markenbenutzung auch durch die Beklagte ohne weiteres in Betracht. Danach ist auch derjenige (mittelbarer) Zeichenverletzer, der ursächlich einen Tatbeitrag zu einer unmittelbaren Zeichenverletzung eines Dritten leistet und die zur Vermeidung der Rechtsverletzung gebotenen und zumutbaren Maßnahmen unterläßt (vgl. OLG Düsseldorf, WRP 1996, 559, 562 f.). Auch nach dem neuem Markenrecht ist die mittelbare Markenbenutzung bzw. -verletzung und damit auch die mittelbare Benutzung bzw. Verletzung von geschäftlichen Bezeichnungen als "Benutzen" im Sinne der §§ 14 und 15 des Markengesetzes anzusehen. Denn einerseits sind in §14 Abs. 4 MarkenG einzelne Fälle mittelbarer Markenverletzung ausdrücklich als Verletzungshandlungen aufgeführt, andererseits ist diese Aufzählung lediglich beispielhaft.

Danach kommt eine Haftung der Beklagten als Vergabestelle ganz grundsätzlich in Betracht, weil sie mit der Vergabe der Domain jedenfalls einen Verursachungsbeitrag leistet, der im Sinne der Äquivalenzformel ursächlich für die Zeichenverletzung durch den Anmeldenden - hier den Streithelfer - ist.
Allerdings ist dabei weiter festzustellen, ob es für die jeweilige Vergabestelle geboten und zumutbar ist, derartige mögliche Zeichenverletzungen eines Dritten zu verhindern, etwa indem sie vor der Vergabe die Berechtigung des Anmelders zur Benutzung des Zeichens als Second-Level-Domain überprüft und gegebenenfalls eigene "Abwehrmaßnahmen" ergreift oder bei schon bestehender Registrierung auf entsprechende Hinweise eine eigene inhaltliche und rechtliche Überprüfung vornimmt und auf deren Grund lage unter Umständen Eintragungen rückgängig macht u.ä..

Der Senat vertritt jedoch die in der Rechtsprechung bislang - soweit ersichtlich -noch nicht allgemein herausgebildete Auffassung, daß die Prüfung der kennzeichen- und wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit einer bestimmten Second-Level-Domain primär in den Verantwortungsbereich des Anmelders fällt, wie dies ebenso bei der Gestaltung des redaktionellen Teils in den eines Presseunternehmens oder die Wahl eines Vereinsnamens in den des Vereins fällt. In diesem Zusammenhang erscheint es auch sachgerecht, die Grundsätze der Haftung der Presse im Wettbewerbsrecht (vgl. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18. Auflage, Einleitung UWG, Rn. 231 fm.w.N.) entsprechend anzuwenden und die Vergabestelle nur unter besonderen Umständen als verantwortlich oder jedenfalls mitverantwortlich anzusehen.

Zwar kann als Mitwirkungshandlung durch die Vergabestelle auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Vorgehensweise eines eigenverantwortlichen Dritten - hier des Streithelfers - genügen, sofern der Inanspruchgenommene - hier die Beklagte - die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH WRP 1997, 325, 326 "Architektenwettbewerb" m.w.N.). Dieser Störerbegriff gilt, wie wechselseitige Bezugnahmen in kennzeichen- und wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen zeigen, inhaltsgleich in beiden Rechtsgebieten (vgl. z.B. BGH GRUR 1990, 373, 374 - "Schönheitschirurgie"; GRUR 1973, 203 - "Badische Rundschau" sowie im Bereich der Überlegungen zur nur mittelbaren Zeichenverletzung.

Bei der Beurteilung und Bestimmung der rechtlichen Möglichkeit zur Verhinderung der Rechtsverletzung ist dabei stets darauf abzustellen, ob erfolgversprechende Maßnahmen von dem möglichen (Mit-)Störer nur mit unzumutbarem Aufwand zu treffen wären, insbesondere ihm unzumutbare Prüfungspflichten auferlegt würden. Die Annahme einer adäquat kausalen und willentlichen Mitwirkung am Wettbewerbsverstoß ist danach nur gerechtfertigt, wenn zumutbare Maßnahmen, insbesondere Prüfungen unterlassen wurden, vor allem dann, wenn hierfür maßgebliche Anhaltspunkte vorhanden gewesen sind.

Nach diesen im Streitfall maßgeblichen Grundsätzen kann die Beklagte als Vergabestelle grundsätzlich nur dann als (Mit-)Verantwortliche in Anspruch genommen werden, wenn ein Dritter - hier der Streithelfer - dadurch, daß er bei der DomainVergabestelle eine bestimmte Second-Level-Domain für sich registrieren läßt und diese unberechtigterweise benutzt, Kennzeichenrechte eines Dritten verletzt bzw. diesen wettbewerbs rechtlich nach § 1 UWG unzulässig behindert, wenn die Beklagte vorsätzlich den ebenfalls vorsätzlich begangenen Verstoß des Dritten fördern will bzw. diesen in Kenntnis der Rechtswidrigkeit billigend in Kauf nimmt, oder nach einem Hinweis auf die angebliche Rechtswidrigkeit eines Second-LeveI-Domain Eintrages diesen nicht sperrt, obwohl er - für sie erkennbar - in grober Weise das Kennzeichen- oder Wettbewerbsrecht verletzt. Ein derartiger offensichtlicher Rechtsverstoß ist etwa dann anzunehmen, wenn auch für die Beklagte unschwer erkennbar ein Domain-Name mit einem berühmten Kennzeichen übereinstimmt und der Anmelder sich lediglich daran in unzulässiger Weise anhängen oder in ersichtlich rechtswidriger Weise den jeweiligen Domain-Namen für sich "sperren" will.

Darüber hinaus lassen sich grundsätzlich auch Ansprüche aus § 20 Abs. 1 i.V.m. § 33 GWB n.F. in Erwägung ziehen. Dies gilt insbesondere auch für den Streitfall.

Denn entgegen dem Vortrag des Streithelfers und der Beklagten sowohl in der Berufung wie auch in der ersten Instanz kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Beklagte auf dem Markt für die Vergabe von Second-Level-Domains unter der TOP-Level-Domain ".de" ein Monopol hält, zumindest aber wohl ein marktstarkes Unternehmen ist. Denn die von dem Streithelfer und der Beklagten aufgeführten Alternativen, wie z.B.".com" und ähnliche Kürzel, stellen weniger wertvolle bzw. teilweise sogar abwegige Kürzel dar, die erkennbar mit der TOP-Level-Domain".de" jedenfalls derzeit in der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne weiteres vergleichbar sind, so daß die Klägerin hierauf gerade auch im Vergleich zu anderen bekannten Unternehmen in diesem Bereich nicht in gleicher Weise zurückgreifen kann. Denn gerade in der Bundesrepublik - und dieser Markt erscheint insoweit von ausschlaggebender Bedeutung - hat das Kürzel .de eine für die meisten Unternehmen überragende Bedeutung, so daß die Registrierung unter anderen Kürzeln zwar möglich ist, jedoch die TOP-Level-Domain ".de" nicht ausreichend ersetzen kann.

Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen im Rahmen eines Anspruches aus § 20 Abs. 1 GWB n.F. und der damit verbundenen Interessenabwägung ist ebenfalls darauf abzustellen, daß die Beklagte ähnlich einem Presseunternehmen bei der Aufnahme von Anzeigen durchaus Prüfungspflichten erfüllen muß. Ebenso wie bei den übrigen Anspruchsgrundlagen auf deliktischer bzw. negatorischer Grundlage sind jedoch auch insoweit maßgebliche Einschränkungen hinsichtlich einer derartigen Prüfungspflicht vorzunehmen. Denn auch insoweit kann es der Beklagten nicht zugemutet werden, umfangreiche rechtliche Überprüfungen anzustellen oder zu veranlassen und sogar die Rechtsbeziehungen zwischen dem Anmelder und einem Dritten - hier der Klägerin und. dem Streithelfer - im einzelnen zu überprüfen und selbst einer abschließenden Beurteilung zu unterziehen.
Abzuwägen ist zwar das Interesse der Marktteilnehmer und damit auch der Klägerin am Zugang zu Domain-Namen, die im Widerspruch zum materiellen Kennzeichen- oder Wettbewerbsrecht schon blockiert sind, gegen das Interesse der Beklagten und der Allgemeinheit an einer effektiven und reibungslosen Vergabepraxis. Dabei kommt ein Anspruch auf Löschung einer rechtswidrig blockierten Second-LeveI-Domain und einer Neuvergabe nach dem Prinzip "First came, first served" gegenüber der Domain-Vergabestelle - der Beklagten - nur dann in Betracht, wenn die vorbestehende Registrierung offensichtlich rechtswidrig ist und sich der Inhaber der Domain für die Beklagte ersichtlich in einer mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbarenden Art und Weise verhält.

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt es im vorliegenden Fall nicht ausschlaggebend darauf an, ob bereits die unstreitig nach den Vergaberichtlinien der Beklagten vorgenommene Konnektierung, eine ordnungsgemäße Nutzung darstellt, so daß die Beklagte ohnehin nicht in der Lage wäre, ihrerseits einzugreifen. Vielmehr ist maßgeblich davon auszugehen, daß der Streithelfer die fragliche Domain "Ambiente" nicht in rechtswidriger Weise angemeldet oder erschlichen hat und kein grober und der Beklagten offensichtlich erkennbarer Verstoß einerseits gegen ihre Vergaberichtlinien, anderseits gegen die vertraglichen oder sonstigen Beziehungen zur Klägerin vorliegt, so daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Begehren der Klägerin zu entsprechen.

Dabei ist auch nicht Streit entscheidend, ob die vom Streithelfer abgegebene Unterwerfungserklärung gegenüber der Klägerin zu einem entsprechenden Vertrag zwi schen diesen Parteien geführt hat oder ob diese Unterwerfungserklärung durch das Verhalten der Klägerin noch nicht angenommen worden ist und deshalb lediglich gesetzliche Ansprüche gegenüber dem Streithelfer in Betracht kommen.

Nach den zwischen der Klägerin und dem Streithelfer gewechselten Schreiben läßt sich allerdings davon ausgehen, daß die strafbewehrte Unterlassungserklärung des Streithelfers von ihr angenommen worden ist und mit Abgabe dieser Erklärung ein entsprechender Vertrag zwischen ihm und der Klägerin zustandegekommen ist.

Zwar ist es zutreffend, wie der Streithelfer in seinem letzten Schriftsatz nochmals dargestellt hat, daß er von der Klägerin nicht ordnungsgemäß abgemahnt worden ist, sondern vielmehr lediglich in einem Telefongespräch mit einem Herrn K auf die von der Klägerin geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche hingewiesen worden ist. Gewissermaßen aus "freien Stücken" hat dann der Streithelfer im Hinblick auf die im Raum stehende gerichtliche Auseinandersetzung die fragliche strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann jedoch dabei angenommen werden, daß diese Erklärung von der Klägerin in ihrem Schreiben vom 13.10.1997 (BI. 134 d.A.) und durch ihr sonstiges Verhalten jedenfalls konkludent angenommen worden ist.

Soweit man von einem derartigen Vertragsschluß ausgeht, ist die von dem Streithelfer in seiner Unterlassungserklärung vorgenommenen Einschränkung, "solange die Messe-Ambiente stattfinde" unbeachtlich, weil nicht ersichtlich ist, daß die Messe in Kürze etwa eingestellt würde. Deshalb stellt sich diese Unterlassungserklärung durchaus als ernste und endgültige vertragliche Regelung zugunsten der Klägerin dar, zumal weitere maßgebliche Einschränkungen und Vorbehalte nicht ersichtlich sind. Auch in der folgenden Korrespondenz hat die Klägerin selbst regelmäßig deutlich gemacht, daß sie einerseits zwar die Unterlassungserklärung angenommen habe, damit jedoch im Hinblick auf die weitere Blockierung der Domain durch den Streithelfer noch nicht zufrieden sei, er vielmehr weitere Schritte - Freigabeerklärung - zu ihren Gunsten vorzunehmen habe bzw. die Beklagte sich entsprechend verhalten müsse.

Soweit man von einem entsprechenden Vertragsschluß zwischen der Klägerin und dem Streithelfer ausgeht, läßt sich daraus allerdings nicht bereits ein weiterer vertraglicher Anspruch auf Freigabe der Domain durch den Streithelfer herleiten. Dies ergibt sich im übrigen auch aus dem Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 13.10.1997, worin sie selbst die Auffassung vertritt, trotz der Unterlassungserklärung wohl noch weitere Schritte einleiten zu müssen. Deshalb kann der Inhalt des Vertrages zwischen diesen Parteien sich ausschließlich auf die Unterlassung, wie sie von dem Streithelfer erklärt worden ist, beziehen.

Legt man deshalb eine "bloße" Unterlassungsvereinbarung zwischen dem Streithelfer und dem Kläger zugrunde, hatte die Beklagte hiervon zwar durch die entsprechenden Schreiben der Klägerin ausreichend Kenntnis. Dies gilt auch für die zunächst von dem Streithelfer in den Vordergrund gestellte Absicht, die Domain "Ambiente" für alle, insbesondere die Klägerin, zu blockieren, wenn er nicht in der Lage sei, sie für sich zu nutzen. Hinzu kommt, daß der Streithelfer, wie er nunmehr selbst vorgetragen hat und die Beklagte ebenfalls zur Kenntnis genommen hat, offensichtlich die Domain nunmehr nutzt und Fotos verschiedener Städte und Landschaften eingestellt hat.

Auch wenn die Beklagte insoweit entsprechende Kenntnis hatte, kann sie jedoch nicht als verpflichtet angesehen werden, nunmehr die Registrierung des Streithelfers aufzukündigen und an seiner Stelle die Klägerin zu registrieren. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Verhalten des Streithelfers ein offensichtlich rechtswidriges Verhalten darstellt und die Beklagte ohne nähere rechtliche Prüfung bereits in der Lage wäre, die vertraglichen Beziehungen zur Klägerin bzw. etwaige gesetzliche Ansprüche der Klägerin ohne weiteres selbst zu beurteilen. Es kann bei dieser Sachlage der Beklagten nicht zugemutet werden, die vertraglichen Verhältnisse zwischen der Klägerin und dem Streithelfer intensiv zu überprüfen und von sich aus ohne ein vorliegendes rechtskräftiges Urteil zwischen diesen Parteien eine entsprechende Bewertung und daraus folgend eine entsprechende Verhaltensweise vorzunehmen und abzuleiten. Dies um so weniger, als die Klägerin durch ihr eigenes Verhalten die Annahme nahegelegt hat, ihr rechtliches Verhältnis zum Streithelfer sei gerade noch nicht ausreichend und abschließend geklärt, denn sie selbst hat seine Unterlassungserklärung nicht als ausreichend angesehen hat und weitere Maßnahmen für erforderlich gehalten.
Dies macht deutlich, daß es insbesondere für die Beklagte mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden war und ist, die rechtlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und dem Streithelfer eingehend zu prüfen, zu beurteilen und sich - wie trotz dieser auch aus Sicht der Klägerin noch unklaren Situation verlangt - lediglich zu deren Gunsten zu verhalten.
Unter diesen Umständen kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß ein erkennbarer Verstoß des Streithelfers gegen vertragliche Vereinbarungen gegenüber der Klägerin vorliegt und die Beklagte allein deshalb gehalten wäre, dem an sie gerichteten Begehren der Klägerin zu entsprechen.

Soweit man mit dem Streithelfer und der Beklagten davon ausginge, durch die von dem Streithelfer abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung sei noch kein Vertrag zwischen ihm und der Klägerin zustande gekommen, läßt sich ebensowenig ein Anspruch gegen die Beklagten begründen.

Auszugehen ist davon, daß die Klägerin Inhaberin der Marke "Messe Frankfurt Ambiente" ist. Dieses Zeichen darf in dieser Form kein Dritter benutzen und im geschäftlichen Verkehr verwenden. Berücksichtigt man jedoch, daß, wie sowohl der Streithelfer als auch die Beklagte im einzelnen dargelegt haben, der Begriff "Ambiente" in zahlreichen anderen Versionen, Firmennamen und Schlagworten vorkommt, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß ein Anspruch aus §§ 14,15 MarkenG gegen den Streithelfer in Betracht kommt. Auch die Klägerin hat dies nicht näher darlegen können. Ob tatsächlich eine Verwechslungsgefahr mit der fraglichen Messe angenommen werden kann, ist deshalb nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Es mag zwar sein, daß in Fachkreisen diese Messe ohne weiteres und weit hin bekannt ist. In diesen Kreisen bewegt sich der Streithelfer mit seiner Domain jedoch gerade nicht, jedenfalls aber nicht in einem maßgeblichen Umfang. Darüber hinaus hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, welchen Bekanntheitsgrad der Begriff "Ambiente" bezogen auf ihre Messe insgesamt bereits erreicht hat, und daß es unbedingt notwendig ist, diesen Begriff ohne den Zusatz "Messe Frankfurt" zu benutzen.

Außerhalb markenrechtlicher Ansprüche gilt entsprechendes für § 1 UWG sowie den subsidiären Anspruch aus § 823 Abs 1 BGB (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb).

Bei dieser Sachlage kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, daß ein ganz offensichtlicher - für die Beklagte ohne weiteres erkennbarer - Verstoß gegen Markenrecht, Wettbewerbsrecht oder sonstige gesetzliche Vorschriften im Hinblick auf das Verhalten des Streithelfers vorliegt, so daß die vorzu nehmende Interessenabwägung ebenso wie im Rahmen kartellrechtlicher Ansprüche abermals zugunsten der Beklagten ausgeht.
Gerade im Hinblick auf Untemehmenskennzeichen und Namensrechte, für die die Feststellung einer Branchenähnlichkeit bzw. Zuordnungsverwirrung grundsätzlich ausreichend ist, ist eine Prüfung für die Vergabestelle rein faktisch meist ausgeschlossen, weil für jede einzelne Domainregistrierung sämtliche bestehenden Unternehmenskennzeichen und Namensrechte sowohl in Bezug auf Priorität als auch bestand rechtlich und im Hinblick auf eine mögliche Verwechslungsgefahr untersucht werden müßten. Die Prüfung der Kennzeichen- und der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit einer bestimmten Second-Level-Domain fällt deshalb aus tatsächlichen wie aus normativen Erwägungen ebenso primär allein in den Verantwortungsbereich des Anmelders. Denn die Aufgabe der Domain-Vergabestelle ist es in erster Linie, kostengünstig, rasch und zuverlässig die Verwaltung des Domain-Systems und dabei insbesondere die Vergabe von neuen Second-Level-Domains durchzuführen. Dagegen kann es nicht maßgebliche Aufgabe sein, eine Entscheidung des Konflikts zwischen Dritten vorzunehmen und dabei eine umfassende rechtliche Prüfung der sich gegenüberstehenden Bezeichnungen im Hinblick auf sämtliche kennzeichen- und wettbewerbsrechtlichen sowie gegebenenfalls weiteren Anspruchsgrundlagen vorzunehmen. Dafür genügen auch die ggf. in einem Abmahnschreiben des Kennzeichen inhabers vorgetragenen Feststellungen grundsätzlich nicht Vielmehr bedarf es einer umfassenden - von der Beklagten nicht zu leistenden - rechtlichen Beurteilung, die auch die Berücksichtigung der etwa bestehenden Kennzeichenrechte und Interessen des Domaininhabers erforderlich machen. In der Praxis würde eine derart weitgehende Mitverantwortlichkeit der Beklagten dazu führen, daß sich ein wirklicher oder vermeintlicher Verletzer immer an die Vergabestelle halten könnte und würde. Dies erscheint unter den gegebenen Umständen gerade für den Streitfall nicht sachgerecht und der Beklagten nicht zumutbar. Nur dann, wenn ihr ein rechtskräftiges und entsprechendes vollstreckbares Urteil gegen den ersten Anmelder - hier den Streithelfer - vorgelegt würde, in dem diesem die Registrierung bzw. Benutzung der Second-Level-Domain untersagt wird, und er damit zur Freigabe verpflichtet wird, kann von der Beklagten verlangt werden, die bisherige Registrierung aufzuheben und nach der Reihenfolge der Warteliste zu verfahren. Denn in diesen Fällen ist es auch für sie evident, daß eine widerstreitende Sachentscheidung nicht mehr erfolgen wird.

Da auch im Streitfall ein Verstoß gegen markenrechtliche oder sonstige Vorschriften nicht ohne weiteres erkennbar ist und die Beklagte um so weniger in der Lage ist, eine abschließende eigene Entscheidung insoweit zu treffen, ist die Klägerin darauf zu verweisen, zunächst gegen den Streithelfer vorzugehen und gegen Ihn etwaige Ansprüche aus der Unterwerfungserklärung bzw. dem Markenrecht oder ähnlichen Vorschriften durchzusetzen und mit einem entsprechenden Urteil wiederum an die Beklagten heranzutreten.

Bei dieser Sachlage war deshalb auf die Berufung der Beklagten und des Streithelfers das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Da die Beklagte unter den gegebenen Umständen nicht verpflichtet werden kann, den Antrag der Klägerin allein in ihrem Sinne zu bescheiden und entsprechend zu verfahren, kann auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag keinen Erfolg haben.

(...)


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