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Haftung des Nummernproviders für Faxwerbung
§ 1 UWG, § 1004 BGB
LG Gießen; Urteil vom 26.04.2002; ger. Az.: - 3 O 22/02 -


Der Rufnummernprovider, der lediglich die Weiterleitung von Anrufen an eine bestimmte 0190er-Rufnummer vornimmt, indem er dem Anbieter die Rufnummer zuteilt, ist für über diese Rufnummer versendete Faxwerbung nicht verantwortlich.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:
Der Kläger begehrt Unterlassung angeblich wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten.

Der Kläger ist Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Seit dem 20.4.2001 ist er in der vom Bundesverwaltungsamt in Köln geführten Liste nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Beklagte ist ein Telekommunikations-Dienstleister und Service-Provider, der Service-Rufnummern, darunter auch sogenannte 0190-er Rufnummern an Gewerbetreibende vermietet.
Spätestens seit September 2001 vermietet die Beklagte die Rufnummer 0190 … an die Firma …

Die Firma versendet u.a. bundesweit aus den USA unverlangt Fax-Schreiben an Dritte, die als Faxumfragen zu politischen und gesellschaftlichen Themen deklariert sind. Wegen des Inhalts dieser Schreiben wird auf mehrere, von der Klägerin zur Gerichtsakte gereichte, typische Schreiben (Bl. 3-6) verwiesen. Wer seine Meinung gegenüber der … kundtun möchte, wird dort aufgefordert, die Antwort an die Rufnummer 0190 … zu faxen, wobei hierdurch Kosten in Höhe von 3,63 DM = 1,86 € pro Minute entstehen.

Mit Schreiben vom 14.9.2001, das versehentlich auf den 16.7.2001 datiert wurde, forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte hat eine solche Erklärung bislang nicht unterschrieben und dem Kläger stattdessen Namen, Anschrift und Vertretungsberechtigte der Firma … genannt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte sei als Störer im Sinne der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften anzusehen, da sie willentlich und adäquat kausal am Wettbewerbsverstoß der … mitgewirkt habe.

(...)

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG gemäß §§ 13 II Nr. 3 UWG i.V.m §§ 1,2,3 I Nr. 1 UklaG klagebefugt.

Dem Kläger fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da eine Inanspruchnahme des im Ausland ansässigen Hauptverantwortlichen jedenfalls nicht ohne Schwierigkeiten möglich ist.

Dem Kläger steht aber kein Unterlassungsanspruch aus § 1, 13 II Nr. 3 UWG zu, da der Beklagten die Zusendung der streitgegenständlichen Fax-Schreiben an Dritte, die damit nicht einverstanden waren, nicht als Störer zugerechnet werden kann.

Das bloße Zurverfügungstellen einer Mehrwertdienst-Rufnummer für die Rückantwort auf die von der … durchgeführten Meinungsumfragen begründet keine Störerhaftung für die rechtswidrige Zusendung der Fax-Schreiben.

Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Beklagte in irgendeiner Form bei der Versendung der streitgegenständlichen Umfragen mitgewirkt hat. Der Vorwurf beschränkt sich ausschließlich darauf, dass die Beklagte der … die Faxnummer, die für die Antwort verwendet wird, gegen Entgelt zur Verfügung stellt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes haftet zwar auch derjenige als Störer eines eigenverantwortlich handelnden Dritten, wenn er an der rechtswidrigen Störung eines eigenverantwortlichen Dritten in der Weise beteiligt ist, dass er in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Dabei kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlichen Dritten genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH GRUR 1997, 316 ff.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Beklagte nicht als Störer haftet.

Die Beklagte hat keinen adäquat kausalen Handlungsbeitrag für die ungebetene Zusendung der Umfragefaxe geleistet. Sie die Zusendung weder veranlasst noch ihre technischen Einrichtungen für den Versand zur Verfügung gestellt. Des weiteren war die Beklagte auch bei der Planung der Umfrageaktion nicht beteiligt.

Dass die Beklagte einer anderen Firma Mehrwert-Faxnummern gegen Entgelt zur Verfügung gestellt hat, die diese dann in den unverlangt versendeten Umfragefaxschreiben als Antwortnummer angeben konnte, reicht hier nicht aus, um einen adäquaten Tatbeitrag zu der Störung zu begründen. Die Vermietung von Mehrwert-Faxnummern stellt lediglich die Überlassung eines Inkassoinstrumentes dar, das sowohl wettbewerbskonform als auch wettbewerbswidrig verwendet werden kann. Alleine der Umstand, dass die Beklagte ihren Mietzins letztlich aus den Einnahmen erzielt, die aus der Nutzung der Antwortfaxnummer nach erfolgter wettbewerbswidriger Zusendung von Telefaxen entstehen, reicht nicht aus, um ein arbeitsteiliges Vorgehen der … und der Beklagten zu bejahen. Solches wäre nur anzunehmen, wenn, was selbst der Kläger hier nicht vorgetragen hat, die Beklagte höheren Mietzins als übliche Reseller verlangen würde, um damit zu verhindern, dass diese nach erfolgten Wettbewerbsverstößen namhaft gemacht werden können (vgl. OLG Stuttgart, 2 U 121/00, OLGR 2000, 74). Hier hat die Beklagte sogar dem Kläger Namen, Anschrift und Vertretungsberechtigte der … genannt, was klar dafür spricht, dass die Beklagte eben gerade nicht mit der … arbeitsteilig zusammenwirkt. Alleine der Umstand, dass die … ein ausländisches Unternehmen ist und eine Inanspruchnahme dadurch erschwert ist, rechtfertigt keine andere Bewertung. Denn auch der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die US-amerikanische Adresse der … lediglich eine Tarnadresse sei oder gar die Beklagte und die … einvernehmlich verabredet hätten, eine Tarnadresse zu konstruieren, so dass die … wettbewerbsrechtlich nicht belangt werden könnte.

In diesem Zusammenhang ist zudem von Bedeutung, dass der eindeutige Wettbewerbsverstoß der … in der Zusendung der unverlangten Meinungsumfragen per Telefax liegt und dabei das Überlassen der Inkasso-Nummer durch die Beklagte hinweggedacht werden könnte, ohne dass der Wettbewerbsverstoß entfiele. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Zusendung der ungebetenen Telefaxe über von der Beklagten gemietete Leitungen erfolgen würde; die von der Beklagten gemietete Nummer wird lediglich dann in Anspruch genommen, wenn sich der Empfänger dazu entschließt, auf die Umfrage zu antworten.

Deshalb kann auch offen bleiben, ob die Beklagte eine rechtliche Möglichkeit hat, die Telefonnummern abzuschalten, sobald sie von einem von der … begangenen Wettbwerbsverstoß erfährt. Denn durch das Abschalten der Mehrwertnummer kann der Wettbewerbsverstoß nicht verhindert werden; schließlich erfolgt er nicht über die Mehrwertnummer. Zwar ist es durchaus vorstellbar, dass die wirtschaftliche Motivation der … zur Versendung der unerbetenen Faxschreiben entfallen würde, wenn die Beklagte ihr die Mehrwertnummer abschalten würde. Allerdings hieße es den Störerbegriff des Wettbewerbsrechts in unvertretbarer Weise auszuweiten, wenn man der Beklagten eine Pflicht zur Einwirkung auf die Motivation ihrer Vertragspartnerin auferlegen wollte.

Demzufolge scheidet eine Pflicht der Beklagten mit dem Inhalt, dass sie, sobald sie davon erfährt, dass im Zusammenhang mit von ihr gemieteten Mehrwertdienst-Rufnummern ein Wettbewerbsverstoß begangen wird, ihrem Vertragspartner gegenüber den Gebrauch der Nummern zu unterbinden hat, aus.

Da der Kläger unterlegen ist, hat er nach § 91 I ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

(...)


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